Gen-Lobby formiert sich

Internationale Gentech-Konzerne versuchen die Novel-food-Verordnung zu kippen. Selbst der US-Präsident soll sich dafür einsetzen  ■ Von Wolfgang Löhr

Jede öffentliche Aufmerksamkeit sollte eigentlich vermieden werden. Auf dem ersten Kongreß der neu gegründeten Organisation EuropaBio wollte die europäische Biotechindustrie unter sich bleiben. Greenpeace machte ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung. Zehn Tonnen Sojabohnen kippten die Umweltaktivisten gestern vor das Kongreßgebäude in Amsterdam. Mit Plakaten protestierten sie gegen die „Manipulation von Natur und Menschen“. „Zusammen mit einer PR-Agentur“, so der Vorwurf von Greenpeace-Mitarbeiter Stefan Flothmann, „bereitet EuropaBio die Zwangsernährung der europäischen Verbraucher mit Genfood vor“.

Flothmann spielt auf ein Strategiepapier an, das die weltweit agierende PR-Agentur Burson-Marsteller im Vorfeld des Kongresses für EuropaBio erstellt hatte. Um die Verbraucher von den Vorzügen der Gentech-Nahrung zu überzeugen, müsse eine europaweite Informationskampagne durchgeführt werden, schlägt die PR- Agentur vor. Kosten: rund 3,9 Millionen Mark. Grundsätzlich müsse alles vermieden werden, was dem Image von Genfood abträglich sei, heißt es darin. Die Verbraucher müßten von den Vorzügen der Gen-Nahrung überzeugt werden. Empfohlen wird, sich nicht mehr auf die Diskussion über Umwelt- und Gesundheitsrisiken einzulassen.

Als wichtigste Stütze werden die Medien angesehen. Damit ein positives Bild von der Gentechnologie wiedergegeben wird, sollen ausgesuchte und wohlgesonnene Journalisten verstärkt mit Informationen oder selbst aufgenommenen Fernsehbeiträgen beliefert werden. Die Lebensmittelhersteller müßten zudem den Eindruck vermeiden, daß sie den Verbrauchern beim Einkaufen keine Entscheidungsfreiheit lassen.

Während hierzulande Firmen wie Monsanto oder Novartis in der Öffentlichkeit bereits moderatere Töne in dem Streit um die Gentech-Etikettierung eingeschlagen haben, wird hinter den Kulissen jedoch weiterhin versucht, die seit Mitte Mai in der Europäischen Union geltende Kennzeichnungspflicht zu kippen. Wie durch Greenpeace gestern bekannt wurde, forderten Mitte Juni rund 40 Biotechunternehmen und Lobbyorganisationen den US-Präsidenten Bill Clinton schriftlich auf, sich gegen die „diskriminierende“ Gen-Kennzeichnung einzusetzen. Unterzeichnet hat diesen Brief auch der US-Zweig der Hoechst- Schering-Tochter AgrEvo, der Saatgutkonzern Pioneer Hi-Bred und die Biotechkonzerne Monsanto und Novartis. Sowohl die Forderung nach Trennung von genveränderten und nichtmanipulierten Produkten als auch deren Kennzeichnung sei „unakzeptabel“, heißt es in dem Schreiben. Es sei eine nicht zu rechtfertigende Handelsbarriere, die den freien Warenverkehr in die EU behindere. Notfalls solle die in der europäischen Novel-food-Verordnung vorgeschriebene Kennzeichnungspflicht durch eine Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) zu Fall gebracht werden.

Dies entspreche durchaus unserer Firmenphilosophie, bestätigte der AgrEvo-Sprecher in Frankfurt, Gerhard Waitz. Er wies noch darauf hin, daß das Unternehmen sein gesamtes genverändertes Saatgut kennzeichne. Die Landwirte wüßten so durchaus, was sie für Saatgut erhielten. Offensichtlich sollen nur die Verbraucher nicht erfahren, aus was ihre Nahrungsmittel bestehen.