Wirtschaft essen Umwelt auf

■ New York war ein Gipfel der Ernüchterung: Die Teilnehmerstaaten fielen hinter die Vereinbarung von Rio vor fünf Jahren zurück. Von einem Aufbruch war nichts mehr zu spüren, es dominierte das kleinmütige Gefeilsche

Der Geist von Rio liegt im Sterben. Diese Woche versetzte ihm die Weltgemeinschaft auf dem Umweltgipfel der Vereinten Nationen (UN) in New York noch einmal einen kräftigen Tritt. Dessen Ergebnis ist enttäuschend. Der Gipfel sollte vor allem Bilanz ziehen, fünf Jahre nach dem ersten Umweltgipfel in Rio.

Das nüchterne Fazit: Es ist wenig passiert. Noch immer wird weltweit jährlich eine Waldfläche, doppelt so groß wie Bayern, gerodet. Nicht nur in der südlichen Hemisphäre, sondern auch in Sibirien und Kanada. Noch immer wächst der Energieverbrauch – bis 2050 rechnet die Weltbank mit einer Verdreifachung. Alle 20 Minuten verschwindet leise eine Tierart. „Fünf Jahre nach Rio hat sich der Zustand der Umwelt weiter verschlechtert.“ Das war schon in dem vorbereiteten Abschlußdokument zu lesen.

Für große Beschlüsse war der Gipfel nicht angelegt. Es blieb nur die Hoffnung, wenigstens lokale Erfolge vorweisen zu können, daß einzelne Staaten mit konkreten Vorbildern neuen Schwung in den Rio-Prozeß bringen. Doch der Geist von Rio wurde nicht wiederbelebt, er wurde eher zum Schreckgespenst der Redner. Einhellig mußten sie ihre Tatenlosigkeit eingestehen.

Vor fünf Jahren blieben viele der Beschlüsse unverbindlich. Es entstand aber immerhin eine Aufbruchstimmung. In New York bleiben nur leere Plastikbecher und jede Menge Altpapier. New York wurde nicht richtig ernst genommen: In Rio waren 120 Staats- und Regierungschefs anwesend, so viele wie nie zuvor und nie danach. Nach New York kamen nur noch 55. Es waren aber genug, um sich zu verzetteln: Ob Waldkonvention, die Gründung einer starken UN-Umweltorganisation, Entwicklungshilfe oder Technologietransfer – jedes Land pflegte eigene Vorlieben. Auch Kohls Vorschläge versandeten im Marathon der Siebenminutenreden.

Und New York stand im Schatten des nächsten Gipfels. Im Dezember wird die Klimakonvention im japanischen Kyoto verhandelt. Keine der bisherigen Umweltvereinbarungen trifft so ins Mark der Volkswirtschaften wie der Klimaschutz. In Rio wurde bereits beschlossen, den Ausstoß bis zum Jahr 2000 auf dem Stand von 1990 einzufrieren. Einzig Deutschland und Großbritannien könnte das auch gelingen.

Das Dilemma des Rio-Prozesses: Vor fünf Jahren, im Glauben an die neue Weltordnung, zogen die Industrieländer noch weitgehend an einem Strang. Allein die USA scherten zuweilen aus. Doch da sie isoliert standen, gefährdete das die Verhandlungen nicht. Das ist anders geworden. Je mehr sich der Gedanke der Globalisierung in die Köpfe frißt, um so stärker sehen sich die Industrieländer als Konkurrenten.

Typisch für den New Yorker „Earth Summit“ war die mit Spannung erwartete Rede Clintons. Der US-Präsident bezog sich fast ausschließlich auf den nächsten Klimagipfel. Auch er gab zu, daß der Meeresspiegel im nächsten Jahrhundert gut einen halben Meter ansteigen könnte: „In Amerika bedeutet das, daß 23.000 Quadratkilometer Küste in Florida und Louisiana überflutet würden, Bangladesch zu 17 Prozent, Inseln wie die Malediven ganz verschwinden.“ Konsequenzen: Fehlanzeige. Clinton blieb Zusagen für eine Reduzierung des Kohlendioxidausstosses schuldig. Dazu müsse er zuerst mit „Wirtschaft und Wissenschaft“ sprechen. Als wenn er dazu nicht fünf Jahre Zeit gehabt hätte.

Anders als in Rio weiß Clinton heute bei seiner Blockade gleich mehrere Industriestaaten hinter sich: unter anderem Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen und Australien. Wenn im Dezember in Kyoto nichts Substantielles herauskommt, ist der Geist von Rio endgültig tot.

Matthias Urbach Bericht Seite 7