Sündhafte Schrägen

■ Gemurkse im Strandanzug: Asmus Tietchens' musique concrète in der Hörbar

Freunde schräger Schallwellen kennen Asmus Tietchens als Ikone der musique concrète und als Schöpfer etlicher experimentalmusikalischer Tonträger mit einfühlsamen Titeln wie Daseinsverfehlung oder Aus Freude am Elend. Der stets in existentialistisch korrektes Schwarz Gewandete erkundet die Schattenseiten des gewohnten musikalischen Daseins mit einer idiosynkratischen Geräuschkunst, die harmonische tonale Strukturen betont ignoriert.

Die Wurzeln dieser destruktiven Konstruktionen – die „kryptophonen Bemühungen der 60er Jahre“– präsentierte Tietchens am Freitag im Rahmen der hörbar-Veranstaltungsreihe Jugendsünden. Die angekündigten „bizarr musikalischen Zerschrägungen füllten das B5-Kino mit Hörlustigen, die ausgewählte „Tondokumente frühen klanglichen Scheiterns“bezeugen wollten.

Plaziert hinter einem improvisierten DJ-Pult, Rauch und Kaffee konsumierend im faden Licht einer Stehlampe, bekannte der heute an der Fachhochschule für Gestaltung Lehrende seine frühen Sound-Sünden öffentlich und in fieser Mono-Qualität. Dazu zählten ein mißlungener Versuch als Teekistenbaßspieler in einer Skiffleband, nostalgische Ex-Lieblingssongs wie die „Wellenreitmusik“der ominösen Astronauts und natürlich erste eigene Geräusch-Collagen.

Aufgelockert wurde diese meist eher schwerverdauliche Akustik-Kost durch hochprivatistische Dia- und Schmalfilmdokumente. Belastendes Bildmaterial zeigte den Ex-Schiffsmaklerlehrling etwa 1964 auf Föhr, bekleidet mit einem selbstgenähten Strandanzug aus Kinderzimmervorhangstoff, oder Sylvester 1967 im senfgelben Rolli – „der letzte Tag, an dem ich farbige Kleidung trug.“

Gesteigerte Heiterkeit erzeugte vor allem ein Radio-Mitschnitt aus den späten 60ern, in dem Tietchenssche Sound-Sequenzen den erzkonservativen Moderator Dethard Fissen zu der snobistisch-irritierten Frage motivieren: „Liegt der Komposition irgendeine Idee zugrunde?“

Diese Frage hat allerdings auch dreißig Jahre später noch ihre Berechtigung, denn das angestrengte Gemurkse dieser frühen Kontingenzkünste war ein Hörgenuß höchstens für eine esoterische Schar Höriger. Dem Rest schmeckten die exotischen Akustik-Drinks des hörbarkeepers vor allem unerhört seltsam. Dafür gab es neben diesen Schattenseiten des musikalischen Daseins ja auch die visuellen Lichtblicke. Christian Schuldt