■ Nachschlag
: Ohne eine Stimme: Anne Clark auf Vermarktungstrip in der Arena

Gnadenloser Ausverkauf einer Künstlerin: Schon immer war klar, daß das Musikbusiness seine Kinder frißt, Anne Clark ist da keine Ausnahme. Trotzdem hat die britische Rockpoetin mit guter Miene zum bösen Spiel beim Remix-Projekt einiger ihrer Songs mitgemacht. Das Sagen hatte dabei nicht sie, sondern die Plattenfirma. Das Ergebnis dieses Unternehmens, das Freitag nacht in der Arena präsentiert wurde, hat die Fans denn auch massenhaft die Halle verlassen lassen. Das war nicht Anne Clark, die sonst so leidenschaftlich ihre, wenn auch vergebliche, Hoffnung auf eine bessere Welt herausschreiende Sängerin, die auf der Bühne agierte. Eher sang da eine in einen schwarzen glänzenden Anzug gezwängte Kopie ihrer selbst. Zugeknöpft bis zum Hals.

Die neu arrangierten Lieder – alles im Techno-Dance-Ambience- Verschnitt – hakt sie programmgemäß ab, obwohl die Texte – ihr doch eigentlich das Wichtigste – dabei überhaupt keine Aussagekraft mehr haben. Überdimensioniert die Bühne, die Anlage, das Setting – ausgerichtet an der Sprachlosigkeit der Love-Parade-Party-Kultur. Beats per minute sind das einzig relevante Kriterium.

So steht auch sie nicht mehr am Anfang des Konzerts im Mittelpunkt, sondern ein ebenfalls in einem glänzenden, hautengen, schwarzen Anzug steckender Vortänzer. Unsäglich und unisex. Zwar schreit sie, als sie endlich auch die Bühne betritt, ihre Lieder ins Mikrophon – das ist zu sehen, zu hören ist es nicht. Zu verstehen schon gar nicht. Filter und Regler machen es möglich: Anne Clark bleibt nur noch eine Tonhöhe und eine Lautstärke. Sprache wird zur unverständlichen Geräuschkulisse, nichts ist von der Kraft, dem Schmerz, der Wut und Emphase übriggeblieben. Das einzig Ekstatische ist die Lichtanlage, deren aggressives Stakkato aber leerläuft. Mit bitterer Ironie fragt sie das Publikum, warum es so lustlos sei, schließlich ist Freitagnacht, Partynacht.

Meilenweit ist diese Performance von der Starrköpfigkeit entfernt, mit der sich die 37jährige dank Punk vor fast zwanzig Jahren ein Publikum für ihre Lyrik erobern konnte. Mit dem Remix-Meganiveau, das treffenderweise auch noch „Wordprocessing“, also Textverarbeitung, genannt wurde, wird die Kunst und das Engagement dieser Frau ad absurdum geführt. Von ihrem Traum, als Schriftstellerin angenommen zu werden, ist sie weiter entfernt denn je. Zu hoffen bleibt, daß nicht Anne Clark die Rechnung für diese üble Vermarktung zu zahlen hat. Denn wer zu ihren Konzerten geht, der will sie hören, weil sie was zu sagen hat. Und sie sagt es weit poetischer als jene Aufschrift auf dem T-Shirt eines reingelegten Fans: „Killing nature / killing animals / don't disturb / we love our chemicals.“ Waltraud Schwab