Süße Beeren, lila Fummel

■ 250.000 Lesben, Schwule und ZuschauerInnen kamen zum 19. Christopher Street Day. Lauter geile Körper auf 50 Wagen, einer schöner als der andere, zogen vom Savignyplatz unter die Linden

Wenn die Lesben von nebenan schon in der Früh in den Hausflur stürmen, kreischen: „Waaaas, ihr seid noch nicht zurechtgemacht“, sich wie Primaballerinas um die Abwaschberge schwingen und ihre knallroten Tücher um ihre knallengen Lederkleider wehen lassen. Wenn Matthias zum schwulen Frühstück mit Lachs und Schokotorte lädt. Wenn Uli seine süße kleine Erdbeere auseinanderklappt, den süßen kleinen Ring herauspult und diesen süßen kleinen Ring an seinen süßen Finger steckt.

Und wenn sich Petra doch dafür entscheidet, den lila Fummel anzulegen, dann ist erstens aus Peter Petra geworden, und zweitens ist Christopher Street Day. Und drittens ist hinzuzufügen, daß Matthias, Uli und Petra und wir zu spät zur CSD-Auftaktkundgebung gekommen sind. Daß wir Röschen von Praunheims Predigt verpaßt haben – „Die Unterdrückung der Schwulen und Lesben ist vorbei“ – , daß wir nicht das gellende Pfeifkonzert gehört haben und daß wir, wie ärgerlich, nicht mitpfeifen konnten. Ach ja.

Der 19. Christopher Street Day. Wie immer schrill und laut, ein tuntiger Karnevalszug mit Techno und auch mal Schlager zwischendurch, mit torkelnden Sektpreisen und ein paar politischen Forderungen.

„Andersrum muß gerechnet werden“, so das 97er Motto. Was soviel heißen mag wie: Mit uns müßt ihr rechnen; die Politiker sollen andersrum rechnen. Nicht kürzen bei schwulen und lesbischen Projekten.

Was sonst noch zu sagen wäre: Acht Kilometer Party von Savignyplatz zum Boulevard Unter den Linden. 250.000 Teilnehmer. 50 Wagen, einer schönschwuler als der andere und besonders schön der vom „Hafen“, Karibik auf vier Rädern, und besonders laut der von „90 Grad“, lauter schöne Körper. Am Ende die Wagen der autonomen Schwulen, vereint im „Herz mit Hirn“-Block. Absicht?

Ach ja. Uli stieg schon Wittenbergplatz aus, die hohen Absätze! Matthias hielt durch, völlig fertig! Und Petra? Wo eigentlich ist Petra geblieben? Jens Rübsam, Fotos: Nino Rezende (5), Theo Heimann (1)