■ Nebensachen aus Kairo
: Ägypten sucht einen ruhigen Ort für Ramsis

Wenn es die Hölle auf Erden tatsächlich gibt, dann liegt sie inmitten von Kairos Innenstadt, direkt neben dem Hauptbahnhof. Ramsis-Platz nennt sich dieser beklagenswerte Ort, an dem sich alle theoretischen Probleme von Überbevölkerung und Verkehrsdichte zu einer praktischen Synthese vereinigt haben. Über eine Million Menschen fahren, gehen, kutschieren oder schieben an diesem zentralen Verkehrsknotenpunkt täglich vorbei.

Und dazwischen steht jener, der dem Platz seinen Namen gegeben hat, der Stolz der Stadtväter und seit einigen Monaten Kairos andauernder Gesprächsstoff: der Pharao Ramsis. Unbeeindruckt vom Wirrwarr um sie herum blickt die königliche dreitausendjährige Statue gelassen in die Ferne, ganz so, als gingen sie die Veränderungen zwischen den altägyptischen Dynastien bis zum Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts kaum etwas an.

Doch der Schein trügt. Durch Autoabgase und konstante Erschütterungen gepeinigt, bröckelt das wertvolle einzigartige Exemplar langsam vor sich hin. Alle waren sich schnell einig: Die Verlegung des Patienten ist unausweichlich. Doch wohin mit dem 3.000 Jahre alten Stück? Darüber scheiden sich die Geister. Die Angelegenheit wurde zur Chefsache, und Ägyptens Ministerpräsident setzte ein Ultimatum, das morgen ausläuft.

Dr. Ali Hassan, seines Zeichens Chef des hohen Rates für Denkmalschutz, setzt sich für die radikale Lösung ein: Ramsis soll dahin zurückgebracht werden, wo er herkommt, nach Mit Rahina, ein Dorf im Westen Kairos in der Provinz Gizeh, wo er Ende letzten Jahrhunderts ausgegraben wurde. Das wäre für den alten Mann die erholsamste Lösung – und die Bewohner von Mit Rahina könnten in Zukunft mit eiligst installierten Souvierständen das eine oder andere ägyptische Pfund machen.

Doch die verschiedenen Stadtverwaltungen Kairos würden die Skulptur am liebsten für sich reklamieren und sie auf anderen, wie sie betonen, ruhigeren Plätzen der Stadt aufstellen – von der Abgasbelastung her allerdings nur ein geringfügiger Unterschied für die angegriffenen Granitporen der Statue. Der Kulturminister hat dagegen seine eigenen Pläne. Er zieht es vor, das Exemplar vor einem seiner Lieblingsprojekte aufstellen zu lassen, einem noch zu bauenden Altertumsmuseum, 40 Kilometer westlich, außerhalb der Stadtgrenze. Doch derzeit weiß nur Gott, wann im nächsten Jahrtausend dieses bisher imaginäre Museum seine Pforten tatsächlich öffnet.

Als kniffelig dürfte sich auch die Frage des Transports erweisen. Die 10 Meter hohe, 80 Tonnen schwere Statue durch das Chaos Kairos zu bewegen, ist sicherlich kein Alltagsunternehmen. Einige Experten sehen das Zersägen in drei Teile und ein späteres Zusammenfügen als beste Lösung an. Dem Himmel sei Dank, daß eine derartiges Statuenmassaker zu kostspielig ist. Ohnehin hat der Kulturminister bereits erklärt, daß er für Schäden beim Transport keine Verantwortung übernehmen wolle.

Damals, vor 40 Jahren, hatte alles so prächtig begonnen, als Präsident Gamal Abdel Nasser beschloß, die Statue am Hauptplatz Kairos aufstellen zu lassen. Ramsis sollte die Krone auf dem Haupt eines neu entstehenden unabhängigen Ägypten sein. Hunderttausende Kairoer säumten damals die Straßen während des zwei Wochen andauernden triumphalen Einzugs des pharaonischen Feldherrn vom Dorf in Gizeh bis zum Kairoer Hauptbahnhof. Wie unwürdig dagegen nun die profanen Streitereien um den unehrenhaften Rückzug einer von Abgasen und Ruß zerfressenen Statue. Karim El-Gawhary