Mehr Chancengleichheit für Frauen

■ Ministerinnen kritisieren die Politik der Bundesregierung

Mainz (taz) – „Über Lohngleichheit bei Männern und Frauen, darüber reden wir gar nicht mehr.“ Die resignierte Bemerkung am Rande der diesjährigen Frauenministerinnen-Konferenz kam von Hessens Ressortchefin Barbara Stolterfoht. Aufgegeben haben die Ministerinnen ihre Hoffnungen auf Chancengleichheit in privaten und öffentlichen Bereich nicht. In ihrer Schußlinie stehen vor allem das Steuer-, Arbeits- und Rentenrecht.

Beispiel Arbeitsförderungsrecht, dessen letzte Stufe am 1. Januar 1998 in Kraft treten soll. Die Ministerinnen fordern eine Novellierung. Die geänderten Zugangsvoraussetzungen zu Leistungen der Arbeitsförderung seien schlicht frauendiskriminierend, so Barbara Stolterfoht. Demnach stehen Trainingskurse, ABM und Maßnahmen zur beruflichen Bildung nur für EmpfängerInnen von Arbeitslosenhilfe offen. Frauen seien davon jedoch oft ausgegrenzt, weil das Partnereinkommen bei der Berechnung von Bedürftigkeit angerechnet wird. Das heißt: keine Arbeitslosenhilfe, keine Arbeitsförderung.

Stoppen möchten sie die Novelle des Vergaberechts öffentlicher Aufträge. Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin und das Saarland haben bereits auf Länderebene organisiert, daß Aufträge der öffentlichen Hand bevorzugt an Unternehmen vergeben werden, die sich in der Frauenförderung stark machen. Das Bundesministerium für Wirtschaft wittert Wettbewerbsbeschränkungen und will die Länderinitiativen durch Bundesgesetz unterbinden. „Damit würde die Bonner Regierung hinter EU-Recht zurücktreten“, betonte Elke Plöger, Staatssekretärin für Frauenpolitik in Sachsen- Anhalt. Umstritten war ein Antrag Schleswig-Holsteins, der am klassischen Familienbild kratzt. Nach kontroverser Diskussion fand sich aber noch eine Mehrheit dafür. Die Konferenz will ein neues Leitbild für die Ehe im Gesetz verankern. So soll in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) aufgenommen werden, „daß die Führung des Haushalts eine gemeinsame Aufgabe der Ehegatten ist“. „Das BGB kann nichts anordnen, aber einen offiziellen Rahmen setzen“, so Angelika Birk, Frauenministerin aus Schleswig-Holstein. Ihre hessische Kollegin sieht das neue Leitbild als „historische Wiedergutmachung“. Galt nach BGB- Recht bis vor 20 Jahren doch, daß eine Frau nur erwerbstätig sein könne, wenn sich dies mit ihren „Pflichten in Ehe und Familien“ vereinbaren lasse. Annette Kanis