„Wer war bloß Dana?“

Nach 2717 Folgen der US-Seifenoper „Die Springfield Story“haben auch die Synchron-SprecherInnen den Überblick verloren  ■ Von Judith Weber

Man kann wirklich nicht um jeden Toten trauern. Aber man kann so tun, als ob. Mit brechender Stimme erkundigt sich die Schauspielerin Karin Eckhard nach der „armen Dana Jones“. Besorgt faltet sich ihre Stirn, die Mundwinkel streben Richtung Kinn. Jeder kann sehen: Karin ist bedrückt.

Das muß sie auch sein, denn auf dem Bildschirm vor ihr trauert synchron eine ältliche Blondine. Alexandra heißt sie und ist reich. Ihr leiht Karin Eckhard seit elf Jahren, was sie an Grabesstimme aufbringt. Im Hamburger Studio Funk synchronisiert sie gemeinsam mit anderen SprecherInnen die US-Seifenoper Die Springfield Story.

„Man kann da richtig mitfiebern“, versichert Eckhard. Sie strahlt, wenn Alex lacht, und weint, wenn die Filmfrau traurig ist. „Ich habe einmal – also, Alex hat – meinen Sohn verloren. Da mußten wir die Aufnahme abbrechen, weil ich so geheult habe.“

Der synchrone Druck auf die Tränendrüse will jedoch gelernt sein. Einen Tag dauert es, bis eine 45minütige Folge mit deutschem Text versehen ist. Oft passen amerikanische Mundbewegungen nicht zu deutschen Sätzen, sind Worte zu lang oder zu kurz. „Man kann eben nicht Mama sagen statt Mutti“, erklärt Norbert Göke, Leiter der Synchronabteilung. „Wie sähe denn das aus?“Meist fragen die SprecherInnen Wieso?, wo jeder andere Warum? benutzen würde. Denn diese Mundbewegung paßt besser zum englischen Why?.

Nur selten schimpft Karin Eckhard deshalb über „den blöden Satz, der jetzt gleich kommt“. Sie weiß, daß es kaum Alternativen gibt. Und wer so reich ist wie Alexandra, muß nicht auch noch rhetorische Glanzlichter setzen. „Dein Charme ist eine nie versiegende Quelle“, haucht folglich Karin, während Alexandra mit einem ihrer Männer in einem ihrer Wohnzimmer sitzt. „Sie sprudelt nur für Dich“, antwortet Kollege Manfred Reddemann und blättert eine Skript-Seite um. Verliebter Blick und Bussi in die Luft Richtung Fernseher.

Der Durchblick, wer mit wem streitet, schläft oder intrigiert, ist nach 2717 Episoden futsch. „Ich habe keine Zeit, mir das im Fernsehen nochmal anzugucken“, erklärt die Schauspielerin. Außerdem sterben die Menschen in Springfield mindestens so oft wie sie heiraten. „Wer war eigentlich diese Dana?“erkundigt sich Eckhard nach der Toten, die sie eben noch betrauert hat. „Die stirbt“, tönt es aus der Regie. Auch Manfred Reddemann hat keine Ahnung, wem er in der nächsten Szene sein Beileid ausspricht. Karin Eckhard begrüßt er konsequent mit „Alexandra“. Sie nennt ihn Manfred, weil sein Filmname so unbeliebt ist. „Daß der Mann Roger heißt, ist das schlimmste, was uns passieren konnte“, stöhnt die Regisseurin. „Das gerollte R kann doch kein Mensch aussprechen.“