„Beginn eines neuen Verfahrens“

■ Nach dem Freispruch für Safwan Eid fordern Opfer des Lübecker Brandanschlags Bleiberecht und weitere Ermittlungen

Die Opfer kamen als Letzte zu Wort. Erst verklärten Staatsanwälte und Verteidigerinnen im Lübecker Brandprozeß die Begründung des Freispruchs für den Angeklagten Safwan Eid jeweils zur Bestätigung ihrer eigenen Position. Danach zogen auch die Ex-BewohnerInnen des abgebrannten Flüchtlingsheimes eine Bilanz des Verfahrens. Zwei Anliegen standen dabei im Vordergrund: Die Brandopfer sollen ein unbeschränktes Bleiberecht erhalten und die Emittlungen weitergeführt werden. Diesen Forderungen schlossen sich gestern auch die schleswig-holsteinischen Bündnis-Grünen an.

„Diejenigen, die unsere Familien und Freunde getötet haben, müssen vor Gericht gestellt werden“, forderte der ehemalige Hafenstraßen-Bewohner Gustave Soussou. Er hoffe, „daß das Ende dieses Verfahrens der Beginn eines neuen Prozesses“sei. Sein Anwalt Jan Mohr forderte „weitere Ermittlungen in Richtung der Tatverdächtigen aus Grevesmühlen“. Die Ermittlungslücken in Bezug auf die vier Jugendlichen mit Kontakten zur rechten Szene müßten „geschlossen werden“.

„Als Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft“wertete Mohr die Feststellung des Gerichts, daß es zwei voneinander unabhängige Brandausbruchsorte im ersten Stock und im hölzernen Vorbau gegeben habe. Die Vermutung, die TäterInnen sein „von außen gekommen“, müsse damit „weiter in Betracht gezogen werden“, ergänzte sein Kollege Matthias Wagner. Staatsanwalt Michael Böckenhauer hingegen betonte, er wolle alte Spuren nicht wieder aufnehmen: Nur „wenn es neue Umstände gibt, die uns zu den Tätern führen“, sehe er Ermittlungsbedarf.

Die Nebenkläger-AnwältInnen wollen nun „das Bleiberecht für unsere MandantInnen erkämpfen“. Die Hamburger Rechtsanwältin Ursula Ehrhardt ermahnte die Kieler Landesregierung, „sich nicht hinter Bundesinnenminister Kanther zu verstecken“, sondern selber den Brandopfern einen gesicherten Aufenthaltsstatus einzuräumen.

Holger Wulf vom Lübecker Bündnis gegen Rassismus forderte den Kieler Innenminister Wienholtz (SPD) auf, es dabei auch „auf einen Konflikt mit der Bundesregierung ankommen zu lassen“. 4.000 LübeckerInnen hätten bereits mit ihrer Unterschrift bekundet, „durch zivilen Ungehorsam eine Abschiebung der Brandopfer zu verhindern“, wenn das Land die Flüchtlinge nicht schützen würde.

Wann die Frage der Abschiebung aktuell wird, hängt auch davon ab, ob die Ankläger in Revision gehen. Das Gericht hatte die Band-Aufzeichnungen von Gesprächen, die Eid während der U-Haft mit Freunden und Verwandten geführt hatte, nicht als Beweismittel zugelassen. Richter Rolf Wilcken warnte die Staatsanwaltschaft davor, „die Abhörprotokolle als Alibi für eine Revision herbeizuziehen“. Die Aufnahmen würden weder Aufschluß über „eine mögliche Tatbeteiligung noch über ein mögliches Motiv“geben. Marco Carini

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