Sprudelnde Energiequelle

Hamburg steigt in die Nutzung der Geothermie ein: Seit gestern wird in den Vier- und Marschlanden nach heißem Wasser gebohrt  ■ Von Achim Fischer

35 hoch ragt der Bohrturm in den Vier- und Marschlanden in die Höhe, zwischen Feldsalat, Möhren und Gänseblümchen. Daneben Baucontainer, Bohrgestänge, ein Zelt. Und Hamburgs Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD), der hier, südöstlich des Naturschutzgebietes „Die Reit“, seit gestern nach Mittelrhät-Sandstein bohren läßt. „Möge er dick, heiß und voller Wasser sein“, hoffte er, den Stein der Wärme zu finden, auf daß dieser Hamburgs Einstieg in die umweltfreundliche Nutzung der Erdwärme ermögliche.

Das Prinzip der Geothermie ist einfach: Aus der Tiefe wird heißes Wasser an die Erdoberfläche gepumpt und per Wärmetauscher auf die Heiz- und Warmwassersysteme von Wohnungen oder Betrieben übertragen. Anschließend wird das Wasser über ein zweites Bohrloch in den Untergrund zurückgepumpt.

Damit sich die Tiefenwärme lohnt, muß das Wasser „heiß genug und ergiebig genug vorhanden sein“, so Gerhard Linke vom Geologischen Landesamt. Soll heißen: achtzig bis hundert Grad heiß und genug für 8000 Liter pro Stunde. Hamburgs Unterwelt stimmt Linke hoffnungsfroh. In 3100 Meter Tiefe hat sich der poröse Sandstein wie ein Schwamm mit heißem Wasser vollgesogen. „So um die einhundert Grad“erwartet der Geologe dort unten.

Zweieinhalb Millionen Mark wird Hamburgs tiefstes Loch voraussichtlich kosten – für dieses Vorhaben ist das relativ wenig Geld. Denn die Preussag überließ der Stadt den bereits 2178 Meter tiefen Schacht einer alten Ölbohrung, der nur noch vertieft werden muß. Die Kosten für die Vertiefung teilen sich Umweltbehörde und HEW. Das „Abenteuer Geothermie“kann auch zum Mißerfolg führen, gesteht Vahrenholt. Und freut sich umso mehr, daß er trotz angespannter Haushaltslage auch mal auf alternative Energiepolitik anstoßen durfte: „Wir müssen Risikokapital in die Hand nehmen, wenn es darum geht, eine alternative Energiebasis jenseits der atomaren Risiken und der drohenden Klimagefahren aufzubauen.“

Nach den Plänen von Umweltbehörde und HEW soll das Projekt an der Gose Elbe zur größten Geothermie-Anlage in Deutschland werden. Denn die Nutzung der Erdwärme ist längst kein Spielzeug mehr. „Die Technik ist in die Nähe der Wirtschaftlichkeit gerückt“, urteilt Ernst Huenges vom GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam. Sieben bis acht Pfennige kostet die Kilowattstunde Energie aus einer Geothermik-Anlage gegenüber fünf Pfennigen aus Öl- oder Gasöfen. Bei einer Entscheidung für eine nachhaltige Energieversorgung (ohne Uran, Öl, Kohle oder Gas) sei dieses Verfahren eine „günstige Alternative“, so Huenges.

Etwa ein Prozent der Haushalte läßt sich in den kommenden fünf Jahren mit Erdwärme versorgen, heißt es in einer aktuellen Studie des GFZ. Huenges: „Wir liefern mit der Geothermie einen Beitrag zum Energiemix – als einen notwendigen Beitrag von vielen.“Hamburg sei dafür ein „heißer Kandidat“. Es ist Teil des „norddeutschen Beckens“, in dem man „relativ sicher“auf genügend heiße und genügend große Wasservorräte stößt.

In sechs Wochen sollen die ersten Ergebnisse der Probebohrung vorliegen. Ist der Sandstein wie erhofft „dick, heiß und voller Wasser“, soll er das geplante Neubaugebiet Allermöhe III mit 2500 bis 3000 Wohnungen beheizen.