Grüne ziehen sich die roten Socken an

■ Neue Grünen-Sprecher schließen Tolerierung durch die PDS für Landtagswahl 1999 nicht mehr aus. SPD schwankt

Der Mitte Juni neugewählte Landesvorstand von Bündnis 90/ Grüne schließt für die Abgeordnetenhauswahl 1999 ein Zusammengehen mit der PDS oder die Tolerierung einer rot-grünen Koalition durch die demokratischen Sozialisten nicht mehr aus. Oberstes Ziel, das man unter Umständen auf diesem Wege erreichen wolle, sei die Ablösung der Großen Koalition, erklärten gestern die beiden neuen Sprecher, Birgit Daiber und Andreas Schulze. Auch bei der SPD scheint die bisherige Ablehnung einer Unterstützung durch die PDS an Eindeutigkeit zu verlieren: Der Pressesprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Uwe Wilke, erklärte gestern, eine erneute Große Koalition werde „ebenso schwer“ in der Partei durchzusetzen sein wie eine Tolerierung durch die PDS.

Bislang hatten sich die Grünen zu dem Thema PDS-Tolerierung nicht eindeutig positioniert. Vor der vergangenen Wahl gab es keine Klärung dieser Frage, da die SPD eine PDS-Unterstützung von vornherein abgelehnt hatte. Nun wollen Daiber und Schulze auf eine Entscheidung auf dem Landesparteitag im Januar drängen. Zugleich betonten sie aber, daß die Partei diesen Beschluß gemeinsam treffen muß und daß es keine Spaltung des Landesverbandes wegen dieser Frage geben dürfe.

Zurückhaltend äußerte sich gestern der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Wolfgang Wieland. Er wolle erst mal die Veränderungsprozesse der PDS, die weitere Entwicklung in Sachsen-Anhalt und die Bundestagswahl abwarten, bevor er sich in dieser Frage entscheide. Ob die Große Koalition oder eine PDS-Tolerierung das „größere Übel“ sei, werde sich zeigen, so Wieland.

Daiber und Schulze erhoffen sich von einer Entscheidung der Grünen auch ein Signal an die SPD. Diese lehnt eine Tolerierung durch die PDS nach wie vor ab. SPD-Pressesprecher Wilke meint, daß es in der Partei zwar einige Stimmen, aber keine Mehrheit dafür gebe. Gleichzeitig bekräftigte er, daß die Sozialdemokraten bestrebt seien, nach den nächsten Wahlen eine rot-grüne „Reformkoalition“ einzugehen.

Rein rechnerisch würde sich eine Ablösung der Großen Koalition momentan nicht ohne die PDS oder eine Minderheitenregierung bewerkstelligen lassen. Bei der Forsa-Umfrage im Juni lagen SPD und CDU mit je 29 Prozent gleichauf. Die Grünen erhielten jedoch nur 16 Prozent, womit die Option Rot-Grün auf nur 45 Prozent kommen würde. Erst die 15 Prozent der PDS würden dem Bündnis jenseits der Großen Koalition eine Mehrheit verschaffen.

Der Fraktionsvorsitzende der PDS, Harald Wolf, begrüßte die Erklärung der Grünen-Sprecher gestern als „Zug von politischem Realismus“. In seiner Partei gebe es eine große Mehrheit für die Ablösung der Großen Koalition auf diesem Wege, so Wolf. Allerdings ziehe man das Magdeburger Modell einer möglichen PDS-Regierungsbeteiligung vor. Tobias Singelnstein