Der ideale Handwerker Von Klaudia Brunst

„Ich kenn' da so einen Typ, der kann das bestimmt“, meinte unsere Nachbarin, als wir darüber sinnierten, ob wir die abgewetzten Holzböden unserer neuen Wohnung selbst abschleifen sollten. „Weißt du, sooo viel Geld haben wir nun auch wieder nicht“, gab meine Freundin zurück, „da sind ja noch die Klempnerarbeiten im Badezimmer, das Fliesenlegen im Flur und dann diese ganzen maroden Elektroleitungen.“ – „Kann der alles, und teuer ist der auch nicht“, beharrte unsere Nachbarin. „Der ist sogar richtiger Handwerker. Zwar eigentlich Bäcker. Aber der verdient sich schon seit Jahren sein Geld mit Renovierarbeiten.“

„Einen fliesenlegenden Bäcker kann ich mir ja noch irgendwie vorstellen...“, merkte ich kritisch an, als wir später wieder alleine mit unserem Problem waren, „...aber Rohre legen? Böden abziehen? Stromkabel verlegen? Also, ich weiß nicht.“ – „Ich habe auch so meine Zweifel“, stimmte mir meine Freundin zu. „Am Ende wurstet der dann nur so vor sich hin, und wir müssen das alles zahlen. So dicke haben wir es ja auch nicht.“ – „Mir wäre es eigentlich lieber, wir zahlen erst hinterher“, gab ich zurück. „So mit Abnahme und so.“ Aber ganz sicher waren wir uns nicht, ob das mit dem Typ unserer Nachbarin zu machen wäre.

Seit der Gedanke, nicht alle Renovierungsarbeiten unserer Traumwohnung selbst zu erledigen, einmal geboren war, ließ er uns nicht mehr los. „Ihr müßt noch mal von vorne anfangen“, riet uns mein schwuler Freund. „Das ist eine mentale Frage. Ihr seid jetzt in der Arbeitgeberrolle. Also müßt ihr auch unternehmerisch denken. Zunächst einmal macht ihr eine Kalkulation. Dann holt ihr Angebote ein und entscheidet euch dann für den preiswertesten, seriösesten, zuverlässigsten Anbieter. Alles klar?“

In der folgenden Woche holten wir also Angebote ein. An diversen Bäumen und Laternenpfählen sichteten wir die Marktlage. Wir lernten arbeitslose Architekten, polnische Restaurateure, alternative Bauschreiner und diverse andere Berufsgruppen kennen. Sogar ein Kieferorthopäde war dabei. Alle bekundeten einmütig, generell könnten sie sowieso alles und hätten auch alles schon einmal gemacht. Einig waren sie sich auch darin, daß sie nach Stunden abrechnen würden und daß das Beschaffen der Materialien extra kostet.

„Ich weiß nicht, ich weiß nicht“, schüttelte meine Freundin den Kopf. „So ein kleines Zettelchen am Baum ist doch irgendwie keine rechte Referenz. Und wenn wir schon mal Aufträge zu vergeben haben, dann sollten wir auch bevorzugt Frauen einstellen“, meinte sie. Aber eine lesbische Klempnerin konnte uns nicht mal die Gleichstellungsbeauftragte des Fachverbandes Sanitär- und Heizungstechnik nennen.

„Jetzt fällt mir nur noch ein Mensch ein, der uns helfen könnte“, meinte meine Freundin gestern abend resigniert. „Ist zwar ein Typ. Aber mit Sicherheit pünktlich, zuverlässig und bezahlbar. Gelernter Handwerker. Ist jetzt in Rente. Aber du wirst bestimmt nein sagen.“ – „Ruf ihn an“, reichte ich ihr seufzend das Telefon rüber. „Mir ist inzwischen alles recht. Hauptsache, die Sache kommt endlich voran.“ – „Also gut“, meinte meine Freundin überrascht. „Hast du die Telefonnummer deines Vaters im Kopf?“