Spaniens Vereinigte Linke auf dem Weg zur Sekte

■ Orthodoxe Kommunisten schließen Erneuerer aus der Bündnis-Führung aus

Madrid (taz) – Spaniens „Vereinigte Linke“ (IU), das einst als neue einigende Kraft links von den Sozialisten gegründete Parteienbündnis, verkommt zur Sekte. Chefkoordinator Julio Anguita warf am letzten Wochenende auf der Tagung des Bundesrates, dem höchstes IU-Gremium zwischen den Parteitagen, die Abstimmungsmaschinerie an, um seine Kritiker, die „Erneuerer“, endgültig an den Rand zu drängen.

60 Prozent der Anwesenden zogen mit und schlossen die Erneuerer um die Abgeordnete und IU- Mitbegründerin Cristina Almeida aus der Führung aus. Der Block um Anguita, fast ausschließlich Mitglieder der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE), fordert die drei Abgeordneten der Erneuerer gar auf, ihr Parlamentsmandat zurückzugeben. Diese wollen aber zumindest bis zum Parteitag im Dezember ausharren.

Die IU-Mehrheit begründet die Maßnahme gegen die in der Demokratischen Partei Neue Linke (PDNI) organisierten Erneuerer mit dem Verhalten ihrer Abgeordneten bei einer Parlamentsabstimmung: Während die orthodoxen Kommunisten gegen das von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelte Gesetzespaket zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit stimmten, verließen die drei Erneuerer demonstrativ den Plenarsaal, ohne ihre Hand zu erheben. „Ich wurde nicht ins Parlament gewählt, um gegen die Gewerkschaften Front zu machen, sondern um sie zu unterstützen“, begründete Cristina Almeida den Bruch der Fraktionsdisziplin.

Die Widersprüche in der IU verstärkten sich in den Jahren der Opposition gegen den Sozialisten Felipe González. Anguita begann in Madrid und den Regionen gemeinsam mit der konservativen Volkspartei (PP) des heutigen Regierungschefs José Maria Aznar die Sozialisten in die Zange zu nehmen. Anstatt aber, wie von Anguita proklamiert, die PSOE zu überholen und so zur einzigen linken Kraft des Landes zu werden, stagnierte die IU an den Urnen und kam auch 1996 nicht über 10 Prozent hinaus. Anguita ließ sich durch die Proteste der Erneuerer nicht stören und machte weiter wie gehabt. Selbst nach dem Machtwechsel verhalf er der Minderheitsregierung von Aznar in zwei Abstimmungen zur Mehrheit.

Während die Erneuerer am Wochenende noch „der verlorenen innerorganisatorischen Demokratie“ nachtrauerten und vor der Gefahr einer endgültigen Spaltung warnten, kam der Mehrheitsflügel erst so richtig in Fahrt. Der Untergliederung in der Nordregion Galicien wird die Streichung jeglicher Wahlkampfunterstützung aus der Zentrale angedroht, wenn sie ihr für die nächsten Regionalwahlen im Dezember eingegangenes Bündnis mit der PSOE nicht wieder löse. Und die festen Beziehungen der IU zur katalanischen Initiativa per Catalunya (IC), bislang im IU-Statut verankert, weichen der Ausweitung der IU auf die Region um Barcelona.

Als letzten Akt kippten Anguitas Anhänger das Prinzip einer pluralistischen IU-Führung, in der alle internen Strömungen ihren Ausdruck finden müssen. Künftig soll der Vorsitzende alleine entscheiden, wer mit ihm zusammen die Geschicke der Organisation lenkt. Daß es Anguita mit dem Alleinvertretungsanspruch ernst meint, ließ er den neu die Spitze der PSOE gewählten Joaquin Almunia wissen: IU werde das Gesprächsangebot der Sozialisten zur Ausarbeitung einer gemeinsamen linken Strategie annehmen, aber „den Dialog wird ausschließlich der IU-Vorstand führen“. Falls Almunia auf die Idee kommen sollte, sich mit den Erneuerern zu treffen, könne er „sich die Briefmarken auf dem Einladungsschreiben sparen“. Reiner Wandler