■ „Auf Wiedersehen, Großbritannien!“ Nach 156 Jahren ist die Kronkolonie Hongkong wieder chinesisch

Hongkong (taz) – Die britische Kronkolonie Hongkong ist nicht mehr: Seit gestern, 18 Uhr MEZ ist Hongkong Teil der Volksrepublik China. Der Union Jack wurde unten den Klängen der britischen Nationalhymne eingeholt, die Flagge Chinas zur chinesischen Hymne gehißt. Prinz Charles für die britische Krone, Chinas Staatschef Jiang Zemin und 4.000 Gäste hatten sich dazu im Hongkonger Kongreßzentrum versammelt. Unmittelbar zuvor ging die Polizei gegen rund 20 Demonstranten vor, die den chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng wegen der Niederschlagung der Demokratiebewegung einen Mörder nannten.

Zum letztenmal zeigte sich Hongkong gestern im britischen Gewand: Regen und Nebel, Dudelsackpfeifer und königliche Garde, Prinz Charles ohne Diana, alles trug dazu bei, daß 6,3 Millionen Hongkonger die 156jährige Herrschaft des Empires über ihre steinigen Küsten und Inseln nicht so schnell vergessen werden.

Chinesische Dudelsackmusikanten der „Royal Hong Kong Police“ eröffneten zwischen Hongkongs markanter Skyline und einer britischen Fregatte die Abschiedsfeier der britischen Kolonialherren. Dschunken fuhren mit braunen Segeln durch ein Meer weißer Tücher. Mit riesigen Geldstücken symbolisierten Jugendliche das moderne Hongkong.

„Dies ist ein Tag der Freude und nicht der Trauer“, sagte Christopher Patten, Hongkongs 28. und letzter britischer Gouverneur, den 10.000 Gästen, die bei strömendem Regen ausharrten. Prinz Charles, in weißer Paradeuniform, verlas eine Erklärung der Queen. Hongkong sei „in exzellentem Zustand – wohlhabend, stabil und dynamisch“, so die Königin. Sie habe keinen Zweifel, daß die Menschen die Stadt selbst regieren könnten. Chinas Staatspräsident Jiang Zemin und Ministerpräsident Li Peng hatten ihre Teilnahme am britischen Abschied abgesagt.

Noch in der Nacht sollte die Vereidigung des von den Briten nicht anerkannten Übergangsparlaments stattfinden. Das gab Anlaß zu einer weiteren Kontroverse. Großbritanniens Premier Tony Blair und US-Außenministerin Madeleine Albright hatten schon seit langem angekündigt, die Vereidigung zu boykottieren.

Bereits am Nachmittag demonstrierten mehrere hundert Menschen auf einem Platz neben dem Parlamentsgebäude. Die Demonstranten errichteten eine „Mauer der Demokratie“. Auch vor und neben dem Kongreßzentrum, in dem die Übergabe stattfand, gab es kleinere Proteste. „Beendet die Einparteienherrschaft!“, „Sagt nein zum Provisorischen Legislativrat!“ hieß es auf Transparenten. Neben einem Gemälde der Göttin der Demokratie veranstalteten ein Dutzend Mitglieder der Allianz für Demokratie eine Mahnwache. Um Mitternacht verloren dann die 26 Abgeordneten aus der Demokratiebewegung ihre Mandate. Bereits gestern abend trafen die ersten 509 bewaffneten Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee ein. Ihnen sollte am frühen Dienstag das 4.000köpfige Hauptkontingent folgen. Um einen Ansturm chinesischer Bürger zu verhindern, riegelten Hundertschaften der chinesischen Polizei die Grenze nach Hongkong ab. Rund 100.000 Menschen versammelten sich unterdessen in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens, um die Rückgabe Hongkongs zu feiern. Nur ausgesuchte Gruppen durften teilnehmen, Normalbürgern wurde empfohlen, nicht einmal die Straßen zu betreten. Georg Blume, Sven Hansen

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