"Liebe taz..." - Politische Hintergründe sehen! Betr.: "Auf den Straßen von Izmir", taz vom 25.6.1997

Betrifft: „Auf den Straßen von Izmir“, taz vom 25.6.97

Sie schreiben, daß „immer mehr Menschen aus ländlichen Gebieten nach Izmir strömen, weil sie auf ein besseres Leben hoffen“. Dies ist gewissermaßen die offizielle Lesart. Hintergrund sind die Dorfzerstörungen durch die Armee in den kurdischen Gebieten, die der PKK-Guerilla das Untertauchen erschweren sollen.

Die so vertriebene Landbevölkerung siedelt sich am Rand der Großstädte in illegalen Neubausiedlungen an. Hieran wird sich auch nichts ändern, solange die Dorfzerstörungen weitergehen. Die Stadtverwaltung Izmir leugnet diese Zusammenhänge, es gibt für sie keinen Krieg im Osten der Türkei. Sie ignoriert daher die Flüchtlinge und deren Probleme oder versucht, mit polizeilichen Mitteln der Lage Herr zu werden. Der Bürgermeister Izmirs forderte vor Jahren eine Art innerstaatlicher Visumspflicht, mit der die Ansiedlung der Flüchtlinge in Izmir unterbunden werden sollte.

Die Entsendung zweier DRK-Mitarbeiter aus Bremen ist sicherlich sehr zu begrüßen. Hoffen wir, daß sie den Willen in Izmir fördert, die Probleme konstruktiv anzugehen. Dazu wäre allerdings auch eine Bereitschaft nötig, die politischen Hintergründe der Fluchtbewegung realistisch zu sehen.

Paul Tiefenbach