Zurückgerufen aus der Wüste

Die Außenhändler der früheren DDR-Kombinate sollen die lahmende Export- wirtschaft auf Touren bringen, meint Wirtschaftssenator Pieroth  ■ Von Gunnar Leue

Der Saal im Forum Hotel war proppenvoll und der Wirtschaftssenator ziemlich baff, daß seine als kleine Zeitungsmeldung verbreitete Einladung so viele Interessenten anzog. Elmar Pieroth will im Jahr sieben nach der DDR auf die Erfahrungen ihrer einstigen Außenhändler nicht mehr verzichten. Jahrelang unbeachtet, sollen sie nun Schwung in den Import-Export-Laden Berlin bringen. Gerade die Ausfuhr dümpelt bei einem rückläufigen Anteil von nur acht Prozent, während beispielsweise die Baden-Württemberger 38 Prozent ihrer Waren exportieren.

Das jedenfalls erfuhren die rund 160 Ost- und Ostasien-Experten vom örtlichen Wirtschaftslenker, den mehr noch als die Resonanz die Klassentreffen-Atmosphäre überraschte. Irgendwie schienen sich alle zu kennen. Kein Wunder, denn von den 20.000 Außenhändlern der DDR kamen 14.000 aus Ostberlin. Die meisten erlebten mit dem Niedergang der DDR und ihrer Kombinate auch ihren beruflichen Abstieg als Verkäufer im Ausland. Daß gerade sie als Wendegeschädigte jetzt die Wende für die Berliner Exportwirtschaft bringen sollen, registrierten viele mit einer Mischung aus Unverständnis und stiller Hoffnung. Wie das Ehepaar Lehmann, extra aus Bitterfeld angereist, nachdem ihnen ein Bekannter von dem Treffen erzählt hatte. Die beiden versuchten viele Jahre, in Kambodscha Käufer für DDR-Produkte zu finden, bis 1992 auch ihr als Chemie AG fortgeführter VEB sie nicht mehr vor Ort brauchte. Nach diversen öffentlichen Weiterbeschäftigungsmaßnahmen sind die Eheleute heute arbeitslos, weil zu jung für den Vorruhestand. Auch Lehmanns trafen hier alte Kollegen wieder, allein durch die Gelegenheit zu einem Kaffeeplausch hatte sich für sie die Anfahrt gelohnt. Andere nutzten das Wiedersehen, indem sie Visitenkarten und persönliche Neuigkeiten austauschten.

Insofern hat die Zusammenführung der Außenhändlerfamilie durch den umtriebigen Senator Pieroth schon etwas gebracht. Gutmütig übersahen die Geladenen deshalb, daß Pieroth, der 1990 sogar kurz Minister in der letzten DDR-Regierung war, sich wohl nicht übermäßig auf dieses Treffen vorbereitet hatte. So sorgte er bei der Erörterung der früheren Einsatzländer für Belustigung, weil er auch nach Süd-Korea fragte – dorthin hatte die DDR aus naheliegenden Gründen nie diplomatische Beziehungen. Die Lobpreisung der Versammelten als „Potential, um das Zusammenwachsen Deutschlands und Europas zu befördern“, mochten die meisten nach ihren bisherigen beruflichen Erfahrungen ohnehin nur als Höflichkeitsfloskel werten.

Insgesamt überwog jedoch die Dankbarkeit, daß sich überhaupt jemand für das brachliegende Wissen interessiert. Der Ex-Handelsrat in China, die Indien-Expertin oder die ehemalige Ausbilderin von Vietnamesen (welche inzwischen oft Generaldirektoren sind): Sie bieten sich dem Wirtschaftssenator ausdrücklich mit ihren Fernost-Kontakten an.

Von Genugtuung ist bei den Ostlern über die – für viele zu späte – Besinnung auf ihr Potential jedoch wenig zu spüren. Dazu geht es den meisten nicht gut genug, außerdem muß sich der konkrete Nutzen der Veranstaltung erst noch zeigen. Immerhin, ein Bauunternehmer stellte sich vor, der für seine Geschäftsexpansion „ständig abrufbare“ Kontaktvermittler sucht. Ein anderer verteilte Zettel, auf denen „Arbeit!“ als Berater versprochen wird. Glücklich ist da der Rentner, der nicht mehr auf Jobsuche gehen muß. Er würde gern Seniorberater sein, weil er noch keine Lust hat, „mit der Aldi- Tüte durch die Gegend zu schlurfen“.

Altersgefährte Pieroth ist begeistert über soviel „Erfahrungsschatz“ und will unbedingt „irgendeine Verknüpfung“ mit den Berliner Technologiefirmen. Natürlich bietet er auch seine politische Unterstützung für die Ex-Außenhändler – in China, das der Senator demnächst wieder besucht.