Machtkampf unter den bosnischen Serben

■ Karadžić hält seine Nachfolgerin Plavšić für zu kompromißbereit

Split (taz) – Die Führer der bosnisch-serbischen Extremisten liegen in einem ernsthaften Streit. Schon lange können die persönlichen Animositäten zwischen der derzeitigen Präsidentin der nicht anerkannten Serbischen Republik in Bosnien-Herzegowina, Biljana Plavšić, und ihrem Vorgänger, Radovan Karadžić, nicht mehr überdeckt werden. Die nach dem Abkommen von Dayton an die Macht gekommene Plavšić läßt sich nicht mehr von ihrem ehemaligen, als Kriegsverbrecher gesuchten Chef wie eine Puppe dirigieren. Sie hat sich mit ihrer neuen Rolle als Präsidentin angefreundet.

Doch jetzt hat die „Auseinandersetzung eine staatspolitische Qualität erreicht“, wie Momcilo Krajisnik erklärte. Er ist Mitglied der Serben im Staatspräsidium und der dritte im Bunde der führenden Politiker der serbischen Extremisten in Bosnien. Plavšić hatte nämlich am letzten Samstag einen Aufenthalt in Großbritannien unterbrochen, um in Belgrad an einer Krisensitzung teilzunehmen. Nach dortigen Pressemeldungen wurde sie auf dem Flughafen festgehalten, verhört und an die Grenze zur Republik Srpska verfrachtet, wo sie von bosnisch-serbischen Polizisten in Empfang genommen wurde. In Bjeljina soll sie sich dann mit anderen Führern getroffen haben. Dabei sei es zu scharfen Auseinandersetzungen gekommen: Plavšić hatte es nämlich gewagt, den Innenminister der Republik Srpska, Dragan Kijac, zu entlassen, weil dieser sich geweigert hatte, weiter mit der Internationalen Polizeitruppe IPTF zusammenzuarbeiten. Nach dem Treffen wurde sie in einem gepanzerten Wagen der Internationalen Streitkräfte Sfor nach Banja Luka in ihre Residenz gefahren.

Und so fällt doch ein bißchen Licht auf das Dunkel dieses Machtkampfs. Plavšić scheint dem Druck der internationalen Gemeinschaft, endlich das Dayton- Abkommen umzusetzen, nachgeben zu wollen. Dazu gehört an erster Stelle die Kooperation mit der internationalen Polizei, die für die Festnahme der Kriegsverbrecher verantwortlich ist. Die „staatspolitische Krise“, die Krajisnik sieht, besteht also darin, daß Plavšić sich nicht mehr unter allen Umständen hinter Karadžić stellt. Damit hat der Machtkampf in der Tat den Rahmen einer persönlichen Auseinandersetzung überschritten.

Ob Plavšić jedoch, wie sie glaubt, über den nötigen Rückhalt in der serbischen Bevölkerung verfügt, sei noch dahingestellt. Für sie spricht, daß mit ihrer Politik endlich auch Kredite und Hilfsmaßnahmen die Republik Srpska erreichen würden. Erich Rathfelder

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