Längste Entführung der ETA-Geschichte ist zu Ende

■ Kurz nach der Freilassung eines entführten Unternehmersohnes befreit die spanische Polizei einen Gefängnisbeamten, der zwei Jahre in Händen der ETA war

Madrid (taz) – Im nordspanischen Burgos herrschte gestern Feststimmung. Die Bewohner des Arbeiterviertels Gamonal feierten mit stürmischem Glockengeläut und einem Hupkonzert die Befreiung des Gefängnisbeamten José Antonia Ortega Lara, der hier vor 532 Tagen von der ETA verschleppt worden war. Die Guardia Civil hatte kurz vor sieben Uhr morgens der längsten Entführung in der Geschichte der baskischen Separatisten ein Ende gesetzt.

Bereits sechs Stunden zuvor hatte die ETA von sich aus ein weiteres Entführungsopfer, Cosme Declaux, nach 232 Tagen freigelassen. Die Polizei fand den Sohn eines Unternehmers nach einem Telefonanruf der Entführer bei der baskischen linksnationalistischen Tageszeitung Egin in der Nähe von Bilbao an einen Baum gefesselt. Die Familie hatte zuvor umgerechnet zwölf Millionen Mark an die Entführer gezahlt.

Hinweise auf den Verbleib des Gefängnisbeamten hatten die Ermittlungsbehörden bereits im vergangenen November nach der Verhaftung eines führenden ETA- Mitglieds in Frankreich erhalten – offenbar aber sollte die Freilassung des Unternehmersohnes abgewartet werden. Jedenfalls wußten die 500 Beamten, die gestern in das Dorf Montragón bei San Sebastián einrückten, ganz genau, was sie suchten. Sie verhafteten vier ETA- Mitglieder in verschiedenen Wohnungen und begaben sich danach in eine verlassene Fabrikhalle, wo sich Ortega Lara in einem winzigen Raum im dritten Kellergeschoß befand. Sein Verlies war mit einer schweren Betonplatte verdeckt, die nur durch einen ausgetüftelten hydraulischen Mechanismus bewegt werden konnte. Die vier Entführer wußten das Versteck so sicher, daß sie Ortega Lara – der während der Entführung 23 Kilogramm Körpergewicht verlor und an Muskelschwund leidet – tagelang allein ließen und ihrem normalen Leben nachgingen.

Die beiden Entführungen hatten innerhalb und außerhalb des Baskenlandes die größte Protestbewegung gegen die ETA ausgelöst, die Spanien je gesehen hat. Zehntausende waren immer wieder für die Freilassung der Geiseln auf die Straße gegangen. Mit der Entführung des Gefängnisbeamten wollte die ETA die Rückverlegung ihrer über 500 auf ganz Spanien verstreuten Gefangenen ins Baskenland erzwingen. Innenminister Mayor Oreja gab dem nicht nach und schlug letzten Sommer selbst ein Gesprächsangebot von der ETA aus: keine Kontakte, solange Ortega Lara entführt ist, hieß es. Reiner Wandler