: König Kalle Wirsch
■ Die Hamburger Fabrik feiert in diesem Monat den 2. Brasilianischen Sommer
Schade - ausgerechnet dieses Jahr, in dem er mit Quanta endlich wieder eine hochkarätige Platte veröffentlicht hat, läßt Gilberto Gil sein allsommerliches Hamburg-Gastspiel ausfallen. Andererseits fragte man sich nach diversen Konzerten brasilianischer Altstars langsam, ob das Land denn gar keinen Nachwuchs zu bieten hat. Insofern kann man die Organisatoren des 2. Brasilianischen Sommers beglückwünschen: Alle Acts feiern ihr Hamburger Debüt.
Gil berichtete mal, er habe in seiner langen Musikerlaufbahn gelernt, daß nur Brasilianer in der Lage sind, Samba zu spielen. Analog dazu muß man feststellen, daß nur Jamaikaner Reggae spielen können. Einen Beweis liefern die unzähligen Samba-Reggae Formationen, die in den vergangen Jahren vor allem in Bahia entstanden sind. Je mehr sich die Musik in Richtung Reggae verlagert, desto stärker fühlt man sich an europäische Sunshine-Reggae-Entgleisungen erinnert. Ob es daran liegt, daß in Brasilien ein kleines Licht wie Jimmy Cliff als Heiliger verehrt wird?
Die bekanntesten Songwriter des Samba-Reggae sind Carlinhos Brown (dazu später im Monat mehr) und Chico César, der klein, rundlich und mit allen Insignien eines Phantasie-Monarchen ausgestattet weniger an Julius Caesar als an den Kleinen König Kalle Wirsch erinnert. Nur seine Performance dürfte wenig aristokratisch ausfallen; ein Kritiker verglich ihn gar mit Johnny Rotten. Am selben Abend treten Skank auf, die schon am Namen erkennen lassen, daß sie sich dem Ska verbunden fühlen. Dabei ist ihre Mischung dermaßen international, daß sie aus fast jedem Land der Welt kommen könnte – und ähnlich klingende Gruppen gibt es auch fast überall.
Mit heiterem Samba-Reggae läßt sich natürlich viel schneller ein außerbrasilianisches Publikum gewinnen als mit anderen Spielarten brasilianischer Musik. Und nachdem Gal Costa mit ihrem anspruchsvollen Veloso-/Baraque-Programm die Besucher der Musikhalle vor zwei Jahren überforderte, dürfte Daniela Mercury als echte „Powerfrau“so recht nach dem Geschmack der Deutschen sein. Harte Arbeit genießt im Land der Dichter und Denker schließlich immer noch größere Wertschätzung als Genialität. Immerhin beweist Mercury mit ihrem Album Feijao com arroz, daß sie sich nicht damit zufriedengibt, eine grandiose Party-Animateurin zu sein.
Insgesamt sei dennoch gewarnt: Wer die Verfeinerung und Sophistication sucht, wie sie lange kennzeichnend für Musik aus Brasilien war, kommt womöglich nicht auf seine Kosten. Wer hingegen eine tropische Party feiern möchte, sollte seine Schritte unbedingt gen Barnerstraße lenken.
Detlef Diederichsen
Daniela Mercury: So, 6. Juli, 20 Uhr. Skank und Chico César: Fr, 11. Juli, 20 Uhr
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