Ein bißchen wie Freimarkt

■ Nach dem Mensa-Brand: Erstaunlich repräsentative taz-Umfrage unter Bremer Studis: Wie sähe die Traum-Mensa aus? Mehr Glas, mehr Stahl, mehr Holz, mehr Licht, mehr Nischen, mehr Draußen, mehr Bier, mehr Döner, mehr...

Uni Bremen, Freitag um zwölf, höchste Essenszeit. Die Mensa ist abgebrannt. Wo ist die Hungerrevolte?

Ein paar Esser an der Pizzabude am Parkplatz. Daneben gibt's ein Büdchen mit Pommes, eins mit Gyros, nebenan Chinesisches. Einer der Kleinstgastronomen bleibt auf seinen Fish & Chips sitzen. Im „Unikum“(„Da wir keine soziale Einrichtung sind, bitten wir vom Verzehr von selbstmitgebrachten Speisen und Getränken abzusehen!“) sind drei Tische besetzt. Im GW 2 (Geisteswissenschaften), Cafeteria, tunken Frauen, die seinerzeit in der Mensa Dienst taten, eine Kelle in einen Topf der HfT-Mensa. Weißkohlsuppe. Der Absatz ist schleppend. Wo zum Teufel sind die 4.000 Mäuler, die gestopft werden wollen?

Wir bauen uns eine Traum-Mensa. Und du bist der Kaiser von Bremen und hast Geld wie Heu. Mit diesem Spruch auf den Lippen lief die taz über den Campus und sammelte Ideen für eine neue Mensa. Und manchmal schien es, als hätte Karsten recht. Karsten ist nämlich flexibel. Er hat sich offenbar arrangiert. Er hat sich auf Snickers verlegt. Karsten ist 21, studiert Informatik und sagt: „Ich brauche überhaupt keine Mensa!“

Die Traum-Mensa: Ideen gedeihen am besten auf dem Mist, der einem zur alten Mensa einfällt. Die abgebrannte Mensa galt, um den breitesten Konsens vorwegzunehmen, als dunkel, lärmig, ausschließlich zur eiligen Nahrungsaufnahme tauglich. Und das Mensaessen, gemeinhin als „Mensafraß“bezeichnet, wird im Rückblick meist als „labberig“und „totgekocht“bezeichnet.

Frauke

Auch Frauke, 21, Deutsch und Kunst auf Lehramt, will Licht. Viel mehr Licht. Weiße Wände. Holz. Lärmdämmung. „In der alten Mensa war es immer tierisch laut.“Sie schlägt verschiedene Ebenen vor, in Hannover hat sie das mal gesehen. Die Flugblätter sollen nicht auf den Tischen rumliegen. Die Kartoffeln waren immer matschig und zu salzig. Eigentlich ist sie höchstens alle zwei Wochen dort gewesen. „Schon der Weg dahin, über den Uni-Boulevard: wie im Parkhaus.“

Henning

„Die Architektur war statisch und überholt. Nicht mehr dem kreativen Denken angepaßt.“Sagt Henning, 25, Student der Ökonomie. Die Betonpfeiler müssen weg. Licht muß her. Die blauen Tische: weg damit! Statt dessen: schönes Holz. Henning formuliert: „Daß die Mensa abbrannte, war ein Zeichen. Die Uni könnte mit dem Neubau auch ein Zeichen setzen. In einer Mensa spiegelt sich der Geist einer Uni wider.“Die Mensa sei ein Aushängeschild der Uni. Auswärtige würden angesichts der Räumlichkeiten fragen: „Was ist denn hier los?“Wenn sich Henning in Rage redet, und wenn es dann nach ihm ginge, dann wäre die Mensa erst der Anfang: „Alles abreißen hier!“

Anonyma

„Genau, alles abbrennen!“Sagt Anonyma, die so anonym bleiben muß, daß sie nicht mal ihre Fachrichtung geschweige denn ihr Alter verrät. Die betongewordenen Strukturen an der Uni bringen sie gelegentlich auf den Gedanken: „Der nächste Stein ist meiner!“Zum Auffangen solcher Aggressionsschübe hat sie zum Glück ihre „Mensagruppe“, mit der sie sich zum Essen trifft. Die Mensagruppe ist jetzt heimatlos. Eigentlich ist Anonyma an der Mensa wichtig, daß sich hier soziale Kontakte knüpfen lassen. Ansonsten: essen und abschalten. Anonyma könnte sich vorstellen, daß die Mensa zu einem „kommunikativen Forum“würde. In kleine Segmente unterteilt, flexible Wände. Hier würde zu Mittag gegessen, dort Kaffee getrunken, Arbeitsgruppen würden sich mit ein paar Schiebewänden einen Raum abtrennen und arbeiten. Schiebewände auch nach draußen, wo man ein Bier trinken könnte. Mensa nur zum Mittagessen? Das ist Verschwendung. Vielleicht sollte man auch die Döner-, Pommes- und Fischbuden, die jetzt die Mensa zu ersetzen versuchen, ins Konzept mit einbeziehen. Eine Budengasse. Ein bißchen Freimarkt. Aber nicht zu hektisch. Anonyma hat übrigens auch noch eine boshafte Version der Brandursache: Den Brand hätten nicht zündelnde Kinder gelegt: Das seien die phosporhaltigen Mensa-Frikadellen gewesen.

Per

Per (39) ist Jurist und will die neue Mensa hell, hoch und luftig. Vielleicht „kneipiger“, man sollte „mal ein Bier“zu sich nehmen können. Dafür müßte die Hallenatmo verschwinden, vielleicht mit kleinteiliger Bauweise und hellen und dunkleren Zonen. Die Architektur sollte ruhig „kühn“sein, kein Beton, mehr Glas und Stahl. Per denkt an Hotelneubauten in Hongkong.

Nesli und Ersen

Ersen, 27, Soziologiestudent, hat in Hamburg mal eine Mensa gesehen, da stellte man sich das Mittagessen selbst zusammen. Man bediente sich aus offenen Büffets – das würde er sich auch in der neuen Mensa wünschen. Dann könnte er sich den Salat selbst würzen, denn der Mensasalat war immer süß. Süß! Das einem Türken! Er möchte auch nicht „wie im Gefängnis“abgespeist werden, sondern denkt an Gruppentische für acht oder zehn Esser. Und warum eigentlich nicht Musik? Wo man sonst nur Krach hört. Nesli, 21, studiert Englisch und hätte Spaß an einem Großbildschirm mit MTV oder VIVA. „Amerikanische Popmusik. Oder Tic Tac Toe.“Türkischer Pop? Hach, das wolle man den Nichttürken doch nicht zumuten. Aber halt! Wie wäre es mit Montags türkische Küche und türkische Musik, Dienstags alles afrikanisch usw.?! Das wäre super! Ersens Frau ist übrigens eine gute Köchin. Und man müßte eine Mensafront öffnen und draußen essen können! Und Frühstück in der Mensa, da würden sich besonders die WohntürmlerInnen freuen. Und man müßte auch abends dort essen können. Aber eins müßte noch her, findet Nesli: richtige Teller!

Klaus-Dieter

Klaus-Dieter, 32, Englisch und Musik, entwickelt die wohl gewagteste Vision: „Ich könnte mir vorstellen, ohne Mensa zu leben. Dafür gäbe es sogenannte Verzehrvorlesungen.“Er denkt dabei an Verzehrkinos. Man könnte während der Vorlesung das Mittagessen an den Platz bestellen. Auch Kaffee, Bier. Servierdamen sollten in einem fliederfarbenen Minirock servieren, Servierherren in einem winzigen Tanga mit aufgedruckter Speckflagge. Beide sollten ein Mützchen tragen mit dem Aufdruck: studentenwerk service. BuS

P.S. 1: Ist es eine abwegige Idee, daß die MensaplanerInnen die StudentInnen an der Mensaplanung beteiligen?

P.S. 2: Das Edelste an der alten Mensa war das sauteure Stirnholzparkett, das angekokelt ist und von Bauarbeitern dieser Tage rausgerissen wird. Lieber keine Mensa (und statt dessen Verzehrvorlesungen) als eine Mensa ohne Stirnholzparkett!