Ab morgen droht der Flug nach Togo

■ Von 26 abschiebungsbedrohten Togolesen in Bremen sind zehn minderjährig. Ibrahim und Abass wurden nach der Festnahme des Vaters von einem Bekannten aufs Schiff gesetzt. Heute demonstrieren ihre MitschülerInnen

Plötzlich klopfte es. Uniformierte standen vor der Tür, drangen kurzerhand ins Haus ein, schnappten sich den Familienvater und verließen das Haus. Es werde nicht lange dauern, versprachen sie beim Rausgehen. Der Mann wurde nie wieder gesehen.

Völlig verstört rannten seine beiden Kinder, 14 und 16, zu einem Bekannten. Anstatt sie zu trösten, warnte er sie, sagte, die Lage sei ernst, versteckte die beiden bei sich zu Hause. Zwei Wochen später bekam er es mit der Angst zu tun und setzte sie im Hafen von Lome auf einen Frachter nach Deutschland. Das war vor eineinhalb Jahren in Togo.

Jetzt sitzen die beiden etwa ebenso verstört wie damals im Schulzentrum an der Kornstraßen in der Bremer Neustadt. Seit er von der drohenden Abschiebung erfahren hat, spricht Ibrahim, der heute 15 ist, kaum noch. Still und in sich gesunken sitzt er da, in seinem viel zu großen weißen Sweatshirt. Erst in der vergangenen Woche hat er den Lehrern überhaupt von der drohenden Abschiebung erzählt. Sein Bruder Abass im orangen Kapuzenpulli, eine Kappe auf dem Kopf, übernimmt die Konversation.

Er erzählt von der toten Mutter, an die er sich nur noch schemenhaft erinnern kann, von der Fleischerei des Vaters, davon, daß eines Tages eine ganze Einheit der Armee sich an dessen Fleisch vergiftete, von der Mitgliedschaft des Vaters in der oppositionellen Partei UFC. Und daß man ihm nach der Fleischlieferung einen massenhaften Mordversuch anhängen wollte.

Und Abass artikuliert, was Ibrahim nicht ausspricht und vielleicht mit seinen 15 Jahren noch gar nicht weiß: Daß Menschenrechte keine Rechte sind in Togo, daß sie beide Angst haben müßten, dort auf offener Straße erkannt zu werden. Schon das Verlassen des Landes ist den Behörden Grund genug, Vaterlandsverrat zu wittern.

Ibrahim und Abass tun gut daran, ihre Geschichte noch möglichst vielen zu erzählen: Morgen, am 4. Juli, sollen sie ausreisen. Ab dann droht täglich die Abschiebung. Ihre Asylanträge wurden abgelehnt – weil sie in Togo nicht politisch verfolgt würden und sich außerdem in ihren Aussagen in Widersprüche verstrickt hätten.

Immer wieder wurden die beiden vernommen, zuletzt von Richter Feldhusen vor dem Bremer Verwaltungsgericht. Immer wieder sollten sie angeben, ob sie diese oder jene Strecke mit der Bahn oder mit dem Bus, alleine oder zusammen zurückgelegt hätten, wie spät es wann gewesen sei. Ibrahim sagt, er sei zum Schluß so verstört gewesen, daß er heulend rausgerannt sei.

Ibrahim und Abass sind nur zwei von 26 Togolesen, die laut Beschluß des Oberverwaltungsgerichts keine Chance mehr haben, in Bremen als Asylbewerber anerkannt zu werden und denen der Rückflug in die Diktatur droht. Unter den 26 sind zehn Minderjährige, die – ungeachtet des Haager Minderjährigenschutzabkommens,wonach Kinder Anrecht auf Schutz und Betreuung haben.

Asylpolitisch ist das durchaus üblich: Lediglich Hessen verzichtete nach der Änderung des Asylrechts im Alleingang darauf, Minderjährige abzuschieben.

An der Neustädter Kornstraße hofft man jetzt auf ein Wunder: „Ibrahim muß bleiben“, steht dort an den Wänden geschrieben. Die Mitschüler lassen ihn nicht mehr aus den Augen. Seit einem Jahr lernt Ibrahim hier Deutsch; nach den Sommerferien sollte er in eine „normale“Klasse versetzt werden.

Gemeinsam kämpfen Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen nun darum, ihm einen Verbleib in Bremen zu ermöglichen – was formal nur noch heißen kann, ihn nicht abzuschieben. Heute wollen sie das Rathaus und den Innensenator besuchen. jago

Treffpunkt der Demo gegen die drohende Abschiebung: 11 Uhr 45, Kunsthalle, Ostertorsteinweg