piwik no script img

■ SURFBRETTEnde einer Kampagne

War da was? Letzte Woche begrub auch der Oberste Gerichtshof der USA den legendären „Communication Decency Act“, das freimütig bigotte Zensurgesetz der Konservativen. Die erste politische Kampgane des Internets hat damit ihr Ziel erreicht, in der realen Welt hätten die Sektkorken geknallt. Aber das Internet ist nicht die reale Welt. Die Pioniere gaben ein paar wohlwollende Erklärungen ab, nachzulesen unter anderem beim Center for Democracy and Technology (www .cdt.org/). Sie hatten gerade keine Zeit zum großen Feiern, vor allem bei Hotwired nicht. Dort waren sie völlig am Durchdrehen. Sie schafften gerade den Netizen ab, der vor dem Gericht endlich gewonnen hatte.

„The Netizen“ (www.netizen.com/) hieß die Rubrik des Onlinemagazins, von weitem erkennbar an einer blitzeschleudernden roten Faust. Starautoren wie John Heileman und Jon Katz schrieben sich hier die Finger wund – gegen den CDA und gegen alles andere, was der großen Netzfreiheit widersprach. Ende der Kampagne. Seit Dienstag kommt Hotwired im neuen Design daher (www.hotwired.com/).

Der Bildschirm rast, die Trendsetter nehmen das Chaos beim Wort. Alles ist klickbar und führt irgendwohin, wo es noch bunter ist oder noch hochprozentiger: Beim Surfen wollen die Vorreiter nur noch das Wesentliche mitteilen. Der Netizen freut sich. Nur gibt es ihn nicht mehr. Er ist ersetzt worden durch die Rubrik „Synapse“. Das Wort bezeichnet Verbindungsstrukturen zwischen Nervenzellen, aber auch absturzträchtige Programme.

Synapsen sind schuld, wenn wir stottern. Deshalb wohl soll die Rubrik gleichen Namens „das Web denken“. „Thinking The Web“ ist auch im amerikanischen ein ungrammatischer Ausdruck. Menschliche Synapsen verstehen ungefähr, was gemeint ist, es fällt aber doch auf, daß der Netizen noch grammatisch voll korrekt an das Netz dachte, in der Nacht, und war um den Schlaf gebracht.

Nun gut, der CDA ist tot, und selbst Bill Clinton schert sich nicht mehr um seine Unterschrift vom letzten Jahr. Er hat ein neues Papier ausarbeiten lassen, diesmal für die wirtschaftliche Freiheit im Netz: www.iitf.nist.gov/eleccom/ eleccomm.html. Und auch Jon Katz schreibt weiter für die Synapsen. Er meint, daß plötzlich die Geeks wiederauferstanden sind, die irren Festplattenjünger, die er schon mal totgesagt hatte. Wahrscheinlich hat er diesmal recht. So kann man sich irren, wenn man über etwas nachdenkt. niklaus@taz.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen