■ Über 3.000 Menschen in Todestrakten

Die Todesstrafe war und ist in den Augen der meisten Amerikaner ein selbstverständliches Instrument der Strafjustiz – mit einer kleinen Unterbrechung: Ende der 60er Jahre, als die Bürgerrechtsbewegung wie auch Reformer im Strafvollzug das gesellschaftliche und politische Klima beeinflußten, wuchs die Opposition in der Öffentlichkeit.

Bis zu 47 Prozent der amerikanischen Bevölkerung sprachen sich damals in Meinungsumfragen für die Abschaffung der Todesstrafe aus. 1972 stoppte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten deren Vollzug, weil er die völlig willkürliche Verhängung von Todesurteilen durch die Einzelstaaten, nicht jedoch die Todesstrafe als solche, für verfassungswidrig hielt.

1976 wurde sie nach einem nunmehr vereinheitlichten Verfahrensablauf von den höchsten Richtern wieder zugelassen. 38 der 50 Bundesstaaten haben die Todesstrafe für Mord wiedereingeführt. Todesurteile gegen Jugendliche werden ebenso verhängt wie gegen geistig Behinderte. Über 3.000 Menschen sitzen derzeit in den Todestrakten.

Massive Einschränkungen des Berufungs- und Revisionsverfahrens für Verurteilte haben in diesem Jahr zu einer Hinrichtungswelle geführt: insgesamt 41 Exekutionen, davon 24 in Texas. Mit der Exekution von Flint Gregory Hunt gestern im Bundesstaat Maryland wurde die 400. Hinrichtung seit 1976 vollzogen.

Die Anwendung der Todesstrafe hängt in den Vereinigten Staaten vor allem von drei Faktoren ab: von der Hautfarbe des Opfers – Morde an Weißen werden weitaus häufiger mit dem Tode bestraft als Morde an Schwarzen oder Latinos. Von der sozialen Herkunft es Angeklagten – fast alle zum Tode Verurteilten konnten kein Geld in eine qualifizierte Verteidigung investieren. Und schließlich vom Gerichtsbezirk. Die „tödlichsten“ Staatsanwälte und Geschworenen sitzen demnach in Houston, Philadelphia und Los Angeles. Andrea Böhm