Kriminologische Missionarsstellungen

■ Sex & Mord, Eis & Totschlag: Die Krimis „Sag niemals ja“und „Tapetenwechsel“

Sonnencreme, Badeanzug, Strandmatte. Und? Natürlich ein Krimi. Wenn einem Sex im Sand angesichts der vielen anderen Mallorca-UrlauberInnen oder Elbstrand-BesucherInnen schon verleidet wird, dann wenigstens Lust und Spannung im Taschenbuchformat. Zwei Krimis der Ariadne-Reihe des Hamburger Argument-Verlags gehören ins Reisegepäck: Das mörderische New Orleans in Sag niemals ja von J.M. Redmann und der norwegische Tapetenwechsel von Kim Smage.

Autorin Redmann läßt in ihrer Geschichte all das wahr werden, was uns im wirklichen Leben nicht vergönnt ist. Ihre Heldin, Privatdetektivin Micky Knight, ist eine attraktive, charmante und clevere Person, der jede zweite Frau zu Füßen liegt. Doch sie kann Nähe nicht ertragen. Wäre unsereins derartig behindert, hieße es, allein und einsam ein klägliches Dasein fristen. Mickys derzeitige Geliebte ist hingegen nicht nur stinkreich und von Grund auf gut, sondern auch heftigst entschlossen, die harte Schale ihrer Angebeteten zu knacken.

Doch schon kommt das Böse daher. Natürlich blond, wohlhabend und obendrein scharf auf die Privatdetektivin, die sie als Bodyguard engagiert. Alsbald ist Micky in ein unübersichtliches Konglomerat aus Kinderpornographie, Todesfällen und krimineller Energie verwickelt. Nebenbei meistert sie eine delikate Situation sexueller Leidenschaft. Mit missionarischem Aufklärungseifer und offenbar auch pädagogischem Anspruch werden nicht nur saftige Details geschildert, sondern auch nahegelegt, was im Zustand der Ekstase zu tun ist („Brauchst du es jetzt fest oder lieber schnell?“). Heldinnenhaft und mit dick aufgetragenem proletarischem Bewußtsein übersteht Micky die Tücken und Gefahren des Falls, bringt die Bösewichte zur Strecke und fährt nach über 440 Seiten – 150 weniger hätten auch gereicht – endlich geläutert in den sicheren Hafen der festen Beziehung ein.

Die Leidenschaft der Kripo-Beamtin Ann-kin Halvorsen in Tapetenwechsel richtet sich indes auf Blues-Musik und ihren Beruf. Bei eisiger Kälte versucht sie herauszufinden, warum eine Galeristin mit einer Eisenstange aufgespießt wurde und was die aus alten Tapeten gefertigte Collage „Sub Rosa“mit Kriegsgewinnlern und enttäuschter Liebe verbindet.

Tapetenwechsel ist ein spannend zu lesendes und vorzüglich geschriebenes Psychogramm einer norwegischen Kleinstadt. Anders als die kriminologische Missionarsstellung in Sag niemals ja entwickelt die norwegische Erfolsgautorin Kim Smage ihre Geschichte mit literarischer Grandessa; wie bei den mysteriösen 40 Tapetenschichten im Haus des mordverdächtigen Malers arbeitet sie sich immer weiter in die Vergangenheit und zur Ursache der Tat vor. Ein Krimi, den man mit Genuß bis zur letzten Seite verschlingt.

Silke Mertins / Foto: Umschlag

J. M. Redmann: „Sag niemals ja“, 446 Seiten, 19.80 Mark; Kim Smage: „Tapetenwechsel“, 246 Seiten, 17 Mark, beide Argument Verlag, Hamburg 1997