Der Griff nach den Sternen

■ Heute abend landet die Sonde Pathfinder auf dem Mars. Sie soll Aufschlüsse über die Entstehung von Leben und Klimaveränderungen auf der Erde geben

Washington (taz) – Die erste Ankunft eines irdischen Flugkörpers auf dem Mars seit vielen Jahren kann jeder Besitzer eines Internet-Anschlusses live erleben. Unter der Adresse http://mpfww.jpl. nasa.gov/mpf/marswatch.html läßt sich heute abend um sieben mitteleuropäischer Zeit bei der Nasa mitverfolgen, wie die Sonde Pathfinder auf dem Mars landet.

Pathfinder ist eines von drei Raumfahrzeugen, die eine neue Ära der Weltraum- und vor allem der Marsforschung einleiten: „Mars Global Surveyor“, die russische „Mars Mission“ und „Mars Pathfinder“ wurden im November und Dezember 1996 in den Weltraum geschossen. Pathfinder kommt als einziges auf der Marsoberfläche an. Die Sonde landet in einer dichten Traube von Ballons auf der Marsoberfläche, wird ein paarmal auftitschen und schließlich in der Ares-Vallis-Ebene liegenbleiben.

Sind die Ballons schlaff geworden und haben die photovoltaischen Zellen genug Sonnenstrahlen abbekommen, entläßt die tetraederförmige Raumstation über eine ausgefahrene Rampe den Geländewagen Sojourner, der sich in einem Tempo von einem Zentimeter pro Minute in Bewegung setzt, um Bilder von der Umgebung an die Erde zu senden. Über 20 Jahre sind vergangen, seit 1976 Viking die ersten Nahaufnahmen vom Mars sandte. Schon 1965 hatte Mariner 4 die Marsexpeditionen eingeleitet.

Auf die Beobachtung des roten Planeten gehen die Vorstellungen von extraterrestrischem Leben zurück. Seit 1877 der italienische Astronom Schiaparelli entdeckte, daß die Marsoberfläche streifig ist, und Percival Lowell 1895 aus dessen „canali“ Kanäle machte, die nur von intelligentem Leben angelegt worden sein konnten, setzte sich die Vorstellung vom Marsmenschen durch. Der trat dann in zahllosen Filmen und Romanen auf – am dramatischsten in Orson Welles' Hörspiel „War of the Worlds“ von 1938, das Menschen in panische Schrecken versetzte. In Wirklichkeit waren, was Schiaparelli und Lowell sahen, atmosphärische Trübungen. Seither aber wurden auf dem Mars Canyons und Täler ausgemacht, die das Werk ehemals fließenden Wassers sein könnten.

Die Vermutung, daß sich auf dem Mars ähnlich wie auf der Erde Leben entwickelt haben könnte, bekam neue Nahrung, als im Sommer 1996 in der Antarktis ein vier Pfund schwerer und viereinhalb Milliarden Jahre alter Meteorit entdeckt wurde, der vom Mars abgesprengt auf der Erde landete und möglicherweise fossile Spuren von Mikroorganismen enthält.

Die Mars-Polkappen speichern Wassermassen, es gibt aufgrund einer geneigten Achse Jahreszeiten ähnlich wie auf der Erde. Bei Temperaturen zwischen 27 Grad Celsius am Äquator und minus 128 Grad in der polaren Marsnacht und einer Atmosphäre, die zu 93 Prozent aus Kohlendioxid besteht, ist der rote Planet zwar kein idealer Lebensraum für Menschen. Gleichwohl ist er der einzige Himmelskörper, der Antwort auf die Frage geben könnte, wo das Leben herkommt: Schneite es etwa in Meteoritenschauern aus den Tiefen des Alls auf die Erde – und möglicherweise auch auf andere Planeten? Entwickelt es sich überall da, wo die entsprechenden Umweltbedingungen gegeben sind? Oder ist es bloßer Zufall?

Ein wichtiges wissenschaftliches Ziel dieser Mission ist die Erforschung des Marsklimas, die Aufschluß auf Ursachen und Auswirkungen von Klimawechseln geben soll. Auch wirtschaftlich ist das Marsprojekt von Bedeutung. Es wird mit einer neuen Generation von vergleichsweise billigen Trägerraketen durchgeführt, von deren Entwicklung auch die Satellitenindustrie – und mit ihr die Telekommunikation profitieren wird. Von USA und Rußland gemeinsam durchgeführt, ist das Marsprojekt auch symbolisch für jene gemeinschaftliche Anstrengung, in der die Erdenbewohner ihre Querelen überwinden, um nach den Sternen zu greifen. Peter Tautfest