Gläubigerbanken gaben sich blind und dumm

■ Zweiter Tag im Schneider-Prozeß: Angeklagter zeigte sich auskunftsfreudig

Frankfurt am Main (AP/taz) – Der angeklagte Bauspekulant Jürgen Schneider hat gestern mit einer ausführlichen Aussage versucht, die Banken als blind und dumm vorzuführen. Die größte Immobilienpleite der deutschen Nachkriegszeit stellte er am zweiten Tag seines Prozesses als Kette von Mißverständnissen zwischen ihm und seinen Geldgebern dar. „Es gab auf seiten meiner Finanzpartner eine doppelte Welt“, sagte der 63jährige vor dem Landgericht. Die Staatsanwaltschaft will jetzt im weiteren Prozeßverlauf Fehler der Banken aufdecken.

Schneider zog alle Register, um von den Banken immer mehr Millionen geliehen zu bekommen. So legte er laut eigener Aussage bei einer Baufinanzierung in Leipzig der Bau- und Bodenbank – einer Deutsche-Bank-Tochter – eine Scheinrechnung über 29 Millionen Mark vor, „um bei dem Kredit zusätzliche Liquidität zu ziehen“. Der zuständige Sachbearbeiter habe nie nachgehakt.

Der Angeklagte, der sein Geständnis mit ruhiger Stimme vom Blatt ablas, gab auch zu, Banken mit dem Gang zur Konkurrenz gedroht zu haben, falls sie sich nicht kooperativ zeigten und schnell zahlten. Im Fall der Zeilgalerie in Frankfurt habe er ein Millionendarlehen am selben Tag beantragt, genehmigt und ausgezahlt bekommen.

Bei dem Ladenkomplex in Schneiders Heimatstadt bekam seine nur Minuten entfernt ansässige Hausbank Deutsche Bank die Raffinesse ihres damals besten Kunden zu spüren. „Viele Angaben waren objektiv falsch“, gab Schneider zu. So rechnete er in die Gesamtfläche auch Treppen, Flure und Keller ein und prognostizierte auf dieser Basis 57 Millionen Mark Mieteinnahmen – „grotesk“, wie er heute zugibt.

Schneider nahm an, daß die Geldinstitute die Realität gar nicht aufdecken wollten. Staatsanwalt Dieter Haike zeigte sich hochzufrieden über die Gesprächigkeit des Angeklagten: „In dem Moment, in dem ein Betrogener weiß, daß er betrogen wird, haben wir keinen Betrug mehr.“