Hamburg und draußen

Auch wenn's an der Elbe keine Biergärten a la München gibt: An Freiluft-Tresen hat Hamburg dennoch einiges zu bieten  ■ Von Achim Fischer

Ja doch. Es ist Sommer, die Gelegenheit für ein verdientes Bierchen im Grünen. Und wir stellen wieder einmal fest: Hamburg ist nicht München. Kein Biergarten weit und breit, zumindest keiner, der den Namen ernsthaft verdient. Und dann das Wetter. Und all die Nörgler. „Das beste Gartenlokal in Hamburg ist wohl das, wo man vor der Natur geschützt ist“, grämt sich Gruner + Jahr-Chef Gerd Schulte-Hillen. Soll er doch zu Hause bleiben. Uns kann's nur recht sein. Dann bleibt an Hamburgs Freiluft-Tresen noch ein Plätzchen frei. Denn auch wenn es keinen Biergarten a la München gibt: Hamburg hat für Open-air-LiebhaberInnen genug zu bieten – auch jenseits von Hans-Albers-Platz, Alster und Övelgönner Elbstrand.

Während sich an der Strandperle mehr oder minder schickes Szene-Volk die Sonnenbrillen zurechtrückt und ab Büroschluß kaum mehr ein Plätzchen zu ergattern ist, halten ein paar hundert Meter weiter elbabwärts diverse Lokale genügend Tische und Stühle bereit. Eine entspannte Alternative bietet außerdem das Buchfink (Rissener Ufer) kurz vor der Stadtgrenze zu Wedel, allerdings nur für automobile Menschen. In dem Holzhäuschen in der Nähe des Leuchtturms gibt es Getränke, Eis und was das Sommerherz sonst begehrt. Tagsüber prägen Familien und Ausflügler das Bild, abends kommen Pärchen und bekennende Würstchengriller. Sonnenbrillen, Gel-Frisuren und Handys werden toleriert, sind jedoch nicht vorgeschrieben und – mangels Gleichgesinnter – eindeutig in der Minderheit. Der Strand ist lang und breit und hilft, das Konfliktpotential zwischen Menschen mit und ohne Hund weit zu unterbieten.

Aber warum in die Ferne schweifen. In vielen Vierteln findet sich ein grünes Eckchen. Etwa in Uni-Nachbarschaft das Libresso (Binderstraße 24), ein Café mit angeschlossenem Antiquariat. In der studentischen Mittagspause, also so von zwölf bis fünfzehn Uhr, wird es auf der schattigen Terrasse ziemlich voll. Die Wartezeit läßt sich dann zum Beispiel am Bücher-Wühltisch (alles für eine Mark) vertreiben. Oder mit dem heiteren Fachbereichs-Raten: Vom Montessori-Jünger bis zum kleinen Wes-terwelle ist so ziemlich das ganze Uni-Spektrum vertreten.

In Uni-Nähe ein Plätzchen zu finden, ist nicht weiter schwer. Aber nicht jeder lebt und arbeitet im noblen Gründerzeit-Ambiente. Im Schanzenviertel, in Ottensen oder St. Pauli sind schon mittlere Pfadfinderqualitäten erforderlich, will man sein Bierchen nicht gerade auf dem Bürgersteig zu sich nehmen. Auf (woll!) St. Pauli etwa können Freunde der Frischluft sich im In Sicherheit (Am Brunnenhof 2) in Sicherheit bringen. Wenn sich vor dem – zugegeben äußerst angenehmen, aber abends meist brechend vollen – Cocteau (Wohlwillstraße 20) dreißig Leute auf zwei Bänke und sechs Plastikstühle quetschen, sind im Hinterhof der Sicherheit meistens noch einige Plätzchen frei. Wesentlich näher am Cocteau die beiden Pizzerien Rocco und Lillo, beide direkt am Paulinenplatz, beide mit viel Platz im Freien. Rocco ist – nach interner Redaktionsumfrage – eindeutig besser, weil leckerer und netter. „Wie in Italien“, schwärmen dagegen die Fans der Goldketten-Behängten und betont lebensfrohen Lillo-Belegschaft, die immer einen Anlaß findet, sich gegenseitig anzuschreien. Noch Pauli, aber fast schon Schanze: Das Kurhaus (Beim Grünen Jäger 1). Vielleicht gibt es außerhalb der Zelle Stühle oder Tische. Kann sein. Irgendwas zum Draufhocken findet sich schon.

Im Schanzenviertel öffnet bei warmem Wetter das Romana (Schulterblatt 53) seine Pforten gen Garten. Schön grün, schön ruhig, durchschnittlich lecker. Das Rund-um-Sorglospaket gibt es außerdem im Schanzenstern (Bartelsstraße 12). Mit Garten, empfehlenswerten vegetarischen und bio-fleischigen Speisen nebst Münsteraner Öko-Bier und als Entrée vielleicht noch einem Kino-Besuch im gleichen Komplex (3001). Wer die Bühne sucht: Bei der Roten Flora um die Ecke, im Café unter den Linden (Juliusstraße 16). Ansonsten müssen sich Schanzen-Gänger in der Regel mit dem Bürgersteig begnügen, haben dafür aber genügend Auswahl, zum Beispiel bei Fritz Bauch (Bartelsstraße 6) oder um die Ecke in Oma's Apotheke. Am Rand des Schanzenviertels sei im Palé (Sternstraße 2), einem ehemaligen Pferdestall, das sonntägliche Frühstücksbüffet empfohlen.

Im Karo-Viertel stellt das Tranquillo (Marktstraße 92) bei trockenem Wetter schon mal die Plastik-Stühle bereit. Zu der dunkel-bodenständigen Kneipe muß man nicht unbedingt einen Tagesausflug einplanen. Mit einer Ausnahme: vor Pauli-Spielen. Dann gesellen sich zum Schanzen- und Karo-Volk auch noch die Ehemaligen, heute mit Kanzlei in Eppendorf, aber im Grunde ihre Herzens irgendwie doch noch und so weiter.

Und auch den Freunden jenseits der Altonaer Gleise sei versichert: Ihr müßt sommers nicht in Kellern darben. Nur einige Beispiele von vielen: Das Martins (Friedensallee 61). „Nicht nur genießbar, sondern lecker“, murmeln Dauerkunden und hadern weiter: Salat mit Shrimps, Pasta oder doch Kalbsrücken? Das Café Planet (Große Brunnenstraße 5) zieht Jungvolk um die zwanzig an, aber auch Nostalgiker vergangener Irokesen-Zeiten. Und selbst, wer noch weiter draußen wohnt, braucht nicht zu verzweifeln. Als „eine der führenden Kneipen in Sachen Bratkartoffeln“wußte ein Mitglied des Testteams die Titanic (Stresemannstraße 320) zu preisen.