Geschrieben in vollem Wichs

Der Kaiser ist ein lieber Mann: Drei monarchistische Zeitungen quergelesen  ■ Von Carsten Otte

Die in der Mehrheit nichtadeligen „Monarchiefreunde“ wünschen sich – wie soll's auch anders sein – einen Kaiser für Deutschland. Eine andere Regel lautet: Jeder Verein gibt eine Zeitung heraus, sonst ist er keiner. Das Mitteilungsorgan der „Monarchiefreunde“ heißt sinnigerweise Der Monarchiefreund. Darin wird man über die aktuellen monarchistischen Debatten informiert, erhält Tips aus der monarchistischen Szene und manchmal was fürs Herz: „Liebe Redaktion, ich bin vom Jahrgang 1903. Die Gedichte und Lieder über Kaisers Geburtstag hab' ich noch gut im Gedächtnis. Damit sie nicht ganz verlorengehen, möchte ich Sie bitten, sie im ,Album der Erinnerungen‘ aufzunehmen“, schreibt eine 94jährige Leserin und reicht zur Bestechung noch ihr Lieblingsgedicht nach: „Der Kaiser ist ein lieber Mann, er wohnet in Berlin / und wär' es nicht so weit von hier, dann ging' ich heut' noch hin. / Und was ich bei dem Kaiser wollt‘? Ich gäb' ihm meine Hand, / und reicht' die schönsten Blumen ihm, die ich im Garten fand.“

Doch die „Monarchiefreunde“ erlaben sich nicht nur am kaiserlichen Kitsch – wenn es um Politik geht, werden sie bitterböse. In einem Flugblatt heißt es: „Die gegen das deutsche Volk gerichtete Politik der Regierung Kohl/Waigel und ihrer Scheinopposition im Bonner Parlament muß gestoppt werden. Mit unserer Vision von der Wiederherstellung des Kaisertums und der Rückbesinnung auf die preußischen Tugenden bieten wir Gewähr für die Erhaltung Deutschlands und der Lösung der Probleme unserer Zeit.“

Ein anderer monarchistischer Verein, wahrscheinlich mit rund 350 Mitgliedern die größte Kaisertruppe Deutschlands, nennt sich „Tradition und Leben“. Sein Wahlspruch lautet: „Wir setzen der Demokratie die Krone auf!“ Seine Mitglieder träumen von einer „Erbmonarchie auf demokratisch-rechtsstaatlicher Grundlage“, allerdings halten sie nichts von Parteipolitik. Man wünscht sich freundlicherweise eine freiwillige Entscheidung des deutschen Volkes für die Monarchie. Das Zentralorgan von „Tradition und Leben“ heißt Erbe und Auftrag, und der Name ist Programm. „Erbe und Auftrag“ bringt Fakten, die in keiner Gazette stehen: „Die Titulatur ,Kaiserliche und Königliche Hoheit‘ findet – auch wenn der deutsche Kronprinz bzw. der deutsche Titular-Kaiser darauf Anspruch hat – für gewöhnlich ihre Anwendung nur in bezug auf das Haus Habsburg-Lothringen, denn neben dem österreichischen Kaisertitel kann der jeweilige (Titular-)Amtsinhaber sich auch als Apostolischen (Titular-)König von Ungarn, (Titular-)König zu Jerusalem, Böhmen, der Lombardei und von Venedig von Illyrien, Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien und Lodmerien nennen.“ Wundersame Welt der Monarchie.

Jedes Jahr treffen sich die deutschen Royalisten am Grab von Kaiser Wilhelm I. im Mausoleum des Charlottenburger Schlosses zu Berlin zum Große-Reden-Schwingen. Hauptattraktion der diesjährigen Feier war das „kaiserliche Husarenregiment“. Aus Remagen, einem kleinen Ort bei Bonn, waren fünf Husaren angereist, um dem Kaiser zum 200. Geburtstag zu gratulieren. Allesamt in vollem Wichs, dem Originaldreß der wilhelminischen Leibstandarte.

Ebenfalls zugegen auf der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnisparty war der „Bismarckbund“, dessen Mitteilungsblatt den Titel Der Bismärcker trägt. Leitspruch ist das Bismarck-Wort: „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts in der Welt.“ Im Bismärcker liest man vorwiegend über das bewegte Leben der kaiserlichen Herrschaften und ihrer politischen Berater. Der für den „Bismarckbund“ interessanteste Politiker im Kaiserreich ist natürlich Otto von Bismarck. Die Titelgeschichte der aktuellen Bismärcker-Ausgabe trägt die reißerische Headline: „Drei Kaiser, denen Bismarck diente“. Zudem erfährt die Leserschaft Wissenswertes über das turbulente Vereinsleben: „Unser Stiftungsfest am 14. November war gut besucht, 17 Mitglieder und Gäste folgten der feierlichen Programmfolge unseres Landesführers und des sehr guten Vortrages der Kameradin Futterlieb über Fürst von Bismarck, seine Arbeit und seinen Einsatz für das Reich.“

Wenn also 17 Leute sich zu einem „Stiftungsfest“ zusammenfinden, dann heißt das in monarchistischen Kreisen „gut besucht“. Und wenn man davon ausgeht, daß die „Kameradin Futterlieb“ auch im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts geboren wurde, dann braucht man sich vor diesen Leuten wahrlich nicht zu fürchten.

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