Kirchen kritisieren Ausländerpolitik

■ In einem Gemeinsamen Wort zu den "Herausforderungen durch Migration und Flucht" fordern die christlichen Kirchen ein einheitliches Zuwanderungsgesetz und verstärkte Integration von Ausländern

Berlin (epd/taz) – Die Kirchen mischen sich wieder ein. Rund vier Monate nach ihrem aufsehenerregenden Sozialwort haben die evangelischen und katholischen Kirchenoberen jetzt in der Ausländerfrage öffentlich Stellung bezogen. In ihrem Gemeinsamen Wort zu den „Herausforderungen durch Migration und Flucht“ fordern sie ein umfassendes Zuwanderungskonzept und kritisieren das derzeitige Ausländerrecht. Die einhundertseitige Schrift, die gestern in Bonn vorgestellt wurde, wird getragen vom Rat der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD), der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland.

Die Kirchen bekennen sich zur multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft. Die rechtliche Integration in Deutschland lebender Migranten sollte verbessert werden. So müßten die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erleichtert werden. In der Bundesrepublik geborene Kinder von Zuwanderern, so die Forderung der Kirchen, sollten die deutsche Staatsangehörigkeit leichter erhalten.

Die Kirchen kritisieren, daß in der Gesetzgebung das Zusammenleben von Deutschen und Ausländern vorrangig unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr gesehen wird. Sie plädieren dafür, das Ausländerrecht aus dem Polizeirecht herauszulösen. Die mit Einwanderung zusammenhängenden Aspekte müssen „unter den Gesichtspunkten von Menschenwürde, Arbeitsrechten, Familienschutz und Verhältnismäßigkeit gesehen werden“.

Neben der Bekämpfung von Fluchtursachen setzen sich die Kirchen dafür ein, die Zuwanderungspolitik in der Europäischen Union zu harmonisieren. Eine abgestimmte Asylpolitik und eine gerechte Lastenverteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen seien geboten.

Beim umstrittenen Thema Kirchenasyl gehen die Kirchenoberen über ihre bisherige Position hinaus. Zeigte sich die EKD 1994 in ihren zehn Thesen zu diesem Punkt noch eher distanziert, wird jetzt Anerkennung formuliert. Nach gewissenhafter Prüfung sei Kirchenasyl „verständlich und auch legitim“. Gemeinden, die von einer rechtswidrigen Abschiebung bedrohte Flüchtlinge schützen, würden „einen Beitrag zum Erhalt des Rechtsfriedens und der Grundwerte unserer Gesellschaft“ leisten.

Dieser Passus stieß besonders bei Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) auf Kritik. Er reagierte mit „großer Skepsis“ auf die Grundaussagen der Schrift. Das geltende Recht sei „ausnahmslos auch für die Kirchen“ anwendbar. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Eduard Oswald, warnte: „Gewährung von Kirchenasyl stellt die Grundlagen des Rechtsstaats in Frage.“ Ein neuer Streit um die Rechtsmäßigkeit von Kirchenasyl könnte sich anbahnen. Annette Kanis