Die mit dem Fleischerhaken tanzen

■ Eine Reihe mit Filmen von und Vorträgen zu Quentin Tarantino im Abaton

Die Frage „Who's a tough guy?“muß ohne Antwort auskommen. Denn der Angesprochene hat eine Kugel im Bauch und krümmt sich vor Schmerzen. Wenn die Projektile hageln, dann beginnen sogar Männer mit einem Gemüt wie ein Fleischerhaken mädchenhaft zu tanzen, und Filme wie Reservoir Dogs feiern einen Karneval, indem sich die feinen Unterschiede zwischen subkulturellem und Massengeschmack auflösen.

Wo die Generationen längst Seite an Seite unter dem Banner des Trashs marschieren und die Popkultur den wildgewordenen Spießbürger umarmt, scheint es kaum noch Tabus zu geben. Doch auf die wenigen, die sich über allen Konsens hinweg gerettet haben, hat es kaum einer so abgesehen wie Quentin Tarantino. Ihm widmet das Abaton eine kleine Werkschau, die der Autor Uwe Nagel heute abend um 20 Uhr mit einem Vortrag eröffnet.

Nagel, der eine kompetente Strukturanalyse der Tarantino-Filme unter dem Titel Der rote Faden aus Blut beim Schüren Verlag publiziert hat, grundiert hier die Faszination, die von diesem Hollywood-Wüterich ausgeht, mit detailgenauen Erläuterungen. Seine Ausbeute zündet zwar nicht gerade ein mutiges Thesengewitter, aber Nagels Gedanken zum Raum in Tarantinos Filmen sowie Anekdotisches aus den Produktionsgeschichten enthalten viel lesenswertes für den glühenden Tarantino-Exegeten.

Nur zwei selbstinszenierte Filme und zwei Drehbücher hat es gebraucht, um den 30jährigen Tarantino zum neuen „whiz kid“des amerikanischen Films zu machen. Erfolgsregisseure wie Tony Scott (True Romance) und Oliver Stone (Natural Born Killers) verfilmten seine Skripts, die teuersten Schauspieler drängelten sich um den Kalifornier und begnügten sich mit Mittelklasse-Gagen.

Sein Regie-Debüt Reservoir Dogs, erzählt mit zurückhaltenden Mitteln und inspiriert von Kubricks The Killing, ein düsteres Gangsterdrama. Verbrechen ist hier eine Lebensform, betoniert durch den Zynismus der Verhältnisse, in denen auch die Hausfrau beim Weg zum Supermarkt sicherheitshalber einen Revolver ins Handschuhfach plaziert. Und weil hier jeder kugelregenweise Gewalt säht, sterben Polizeispitzel wie Gangster in rüden Kammerspielen wie diesem in brüderlicher Umarmung.

In Pulp Fiction läßt Tarantino ein reichhaltiges Personal ein Univer-sum der Gleichzeitigkeiten bevölkern. Hysterische Gangster, derangierte Boxer, wortkarge Psychopathen und hypermotorische Trash-Nympchen zappeln in einer Zettelkasten-Konstruktion wohl dosierter Anarchie, die es allen Figuren ermöglicht, nach Abschluß ihrer Episode wieder an den Rändern der folgenden aufzutauchen.

Dieses Erzählprinzip ist im Kino nicht neu, doch Tarantinos Epigonentum kapert auf höchstem Niveau bei Lynch, Jarmusch, Altman u. a. Er wirbelt von schmuddeligen B-Movie-Topoi zu Camp-Motiven und zurück zu Pop-Klischees. Da knallen zwei dämliche Gangster, die sich stundenlang über die nasalen Mutationen des guten alten Hamburgers in französischen Burger Kings und andere kontinentale Zumutungen amüsieren können, den Falschen dazu im falschesten Moment ab. Sie bitten einen Experten, die hirnreiche Schweinerei auf dem Rücksitz zu beseitigen. Und mit der Entsorgung des „Cleaners“entsorgt auch Pulp Fiction die übrigen Malheurs. Ob Travolta der überkoksten Uma Thurman eine Spritze mitten ins Herz rammt oder Bruce Willis sich aus einem S/M-Keller herausballert, am Ende läuft alles sauber ins Leere. Professionell und ohne Rückstände auf tatsächlich verbeulten Konventionen . B. Glombitza