Schöner als mit Steffi

■ Trotz der Wimbledon-Finalniederlage gegen Hingis kann Jana Novotna scherzen

Wimbledon (taz) – Großer Skandal beim Frauenfinale der All England Tennis Championships. Nachdem Jana Novotna der Schweizerin Martina Hingis 6:2, 3:6 und 3:6 unterlegen ist, entreißt sie der Siegerin die Meisterschale. Ganz so dramatisch war es nicht, alles nur Spaß. Kurz darf sie, dann muß die Tschechin aus Brno das Teil wieder hergeben. Zum zweitenmal. Denn schon 1993 hatte sie das Finale erreicht und den klobigen Teller bereits in ihrer Vitrine gesehen. Auch damals hatte sie, gegen Steffi Graf, wie die sichere Siegerin ausgesehen und noch verloren. Am Samstag war es genau wie vor vier Jahren – und doch alles ganz anders. Keine Tränen an der Schulter der Duchess of Kent, sondern lockerer Small talk über die Zukunft Novotnas in Wimbledon.

Her Duchess: „Sie kommen nächstes Jahr wieder und versuchen es noch mal.“

Novotna: „Ich bin schon ein bißchen alt, fast 29.“

Her Duchess: „Sie sind eine außergewöhnliche Athletin, das dritte Finale wird Ihnen Glück bringen.“

Lachende Gesichter, die Trauer hielt sich in Grenzen. Warum auch nicht? Jana Novotna hat einmal mehr bewiesen, daß sie den besten Volley im Frauentennis spielt. Sie hat Martina Hingis mit tiefen, langen Rückhandslices das Leben sauer gemacht. Taktische Planung in Ordnung, Durchführung optimal. Novotna kann momentan nicht besser spielen.

Auch wenn die Psychiater im Publikum schmollten: keine mentalen Einbrüche. Eher ein Fall für den Physiotherapeuten: Im Verlauf des Spieles machte ihr eine Bauchmuskelzerrung immer mehr zu schaffen, worunter ihr Aufschlag spürbar litt. Nur eine kleine Ausrede für die Niederlage, der eigentliche Grund war ein anderer. Novotna nannte ihn: „Martina war heute die bessere Spielerin.“

Ein Mädchen noch, die jüngste Wimbledon-Siegerin seit „Lottie Dod ihren Teddybären zur Seite gelegt hat, um das Turnier zu gewinnen“, wie es Guy Hodgson vom Independent auf den Punkt gebracht hat. Dod war 15, Hingis ist 16 und hat doch in diesem Finale gezeigt, daß sie das Zeug zur Großen hat. Trotz eines frustrierenden ersten Satzes („Ich bin mir wie eine Anfängerin vorgekommen“) erlahmte sie nie in ihrem Willen, das Spiel an sich zu reißen. Machte die Ältere müde und stoppte dann die in ihrer Schnelligkeit nachlassende Tschechin mit präzisen Passierbällen und Lobs über deren Rückhand. Es war ihr 44. Sieg im 45. Spiel des Jahres.

Novotna war dann auch voll des Lobes: „Trotz ihrer Jugend ist sie sehr professionell und talentiert. Und – sie respektiert die anderen Spielerinnen.“ Und auf die Frage, wie sie die Zukunft ihrer Gegnerin sehe: „Sehr positiv. Wenn ich sie mit anderen Spielerinnen vergleiche, die früh ausgebrannt sind, muß ich sagen, sie ist sehr normal geblieben.“

Das hört sich nach gegenseitiger Sympathie an. Obwohl Novotna immer wieder betont, sie sei eine andere als 1993, ist sie immer noch sehr sensibel: „Wir haben uns zusammen aufgewärmt und nett geplaudert.“

Eine neue Erfahrung offenbar, mit der früheren Nummer eins war das nicht so ohne weiteres möglich. „Mit Steffi“, sagte sie, „war das anders. Sie war immer korrekt, aber man hat sich kaum angeschaut und nicht miteinander geredet.“ Gegen so jemand verliert es sich dann auch viel schwerer. Albert Hefele