Brüder, zur Sonne ...

Warum Nationalspieler Henning Harnisch bei der EM eine Gewerkschaft für Profi-Basketballer initiiert  ■ Von Matti Lieske

Barcelona (taz) – Das Endspiel der Basketball-EM zwischen Italien und Jugoslawien war noch gar nicht angepfiffen, da begann gestern schon das neue Kapitel der unendlichen Geschichte. Die Qualifikationsgruppen für die EM 1999 in Frankreich wurden ausgelost. Dort stehen die begehrten Olympiaplätze für Sydney 2000 auf dem Spiel. Ein Ereignis, bei dem die Mannschaft des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) eine größere Rolle spielen will als in Spanien. Bundestrainer Lucic' Nachfolger, der 39jährige Henrik Dettmann, muß sich in der Qualifikation gegen Griechenland, Slowenien, Bulgarien, die Slowakei und Belgien durchsetzen. Während DBB-Präsident Geggus schon „angst und bang“ wird, spricht der Finne bloß von einem „harten Stück Arbeit“. Trotz starker Verjüngung des Teams wird er sich wohl noch auf erfahrene Spieler wie Rödl, Koch, Welp und Harnisch stützen. „Die Qualifikation spiele ich“, sagt der 29jährige Henning Harnisch, „die jungen Leute sind noch nicht soweit, daß sie das ohne ein paar ältere schaffen können.“ Bei der EM selbst „müßte der Nachwuchs dann in der Lage sein, ohne mich klarzukommen“.

Zuvor gilt es aber, noch eine andere wichtige Sache in die Wege zu leiten: die Gründung einer Spielergewerkschaft in Deutschland. Eine alte Lieblingsidee von Harnisch, die jetzt, wie er sagt, „zum erstenmal über das Kneipenstadium hinausgeht“. Zusammen mit Kapitän Henrik Rödl und Ex-Nationalspieler Stephan Baeck, der bei der EM als DBB-Pressesprecher fungierte, hat er die ersten Schritte getan. Beraten wird man von dem Anwalt für Sportrechte und ehemaligen Basketballspieler Martin Schimke.

Am Samstag traf man sich mit Vertretern der Spielergewerkschaften aus Griechenland, Italien und Spanien. Nun werden die Nationalspieler mit den Kollegen in ihren Bundesliga-Klubs über die Sache reden. „Der Profi-Basketball in Deutschland hat sich derart entwickelt, daß es so etwas geben muß“, findet Harnisch, wichtig sei aber vor allem, „daß es einige Nationalspieler gibt, die das tragen“.

Die FIBA steht der Gewerkschaftsidee erstaunlich aufgeschlossen gegenüber. Sieben Gewerkschaften gibt es bereits in Europa, darunter sind die großen Ligen in Spanien, Italien, Griechenland und Frankreich. Es existiert sogar ein Dachverband (UBE), der von der FIBA „vorläufig“ anerkannt wurde. Vorläufig deshalb, so FIBA-Pressesprecher Florian Wanninger, weil sieben westeuropäische Länder nicht die ganze Breite der Spieler repräsentieren würden. In der Frage der Ausländerrestriktionen sei etwa ein Grieche natürlich ganz anderer Meinung als ein Russe. Der eine will seinen Arbeitsplatz schützen, der andere ungehindert zu finanzkräftigen Klubs wechseln dürfen.

Diese Angelegenheit ist jedoch ohnehin entschieden. Im nächsten Jahr werden die Ausländerklauseln auch für Nicht-EU-Bürger fallen, gleichzeitig soll die Europaliga bis zum Jahr 2000 zu einer Superliga ausgebaut werden, die Elemente von Champions League und NBA enthält. Basis bleiben zwar weiterhin die nationalen Meisterschaften, gesteuert wird diese Europaliga der Zukunft jedoch zentral. Logischerweise ist eine solche Liga in Europa schwieriger zu installieren als in Nordamerika.

„Dort wird in zwei Ländern gespielt“, sagt Wanninger, „hier haben wir es mit fünfzig verschiedenen Arbeitsrechten und Steuergesetzgebungen zu tun.“ Das Symposium zu juristischen Fragen der europäischen Basketball-Entwicklung in Barcelona habe ergeben, daß es rechtlich schwierig, aber möglich sei, die wichtigsten Ziele der FIBA zu realisieren. Dazu gehören zentrale Vermarktung und zentraler Verkauf der Fernsehrechte, Schutzmaßnahmen für junge Spieler bei Transfers und Hebel, um „eine Nivellierung der Möglichkeiten und Einkünfte der Klubs“ (Wanninger) zu schaffen.

Die aus der NBA bekannte salary cap, die Gehaltsobergrenze für Klubs, zum Beispiel. Bisher gebe es einige reiche Klubs, einige mittlere, darunter Alba Berlin, und ein paar arme, bemängelt Wanninger, „eine Liga kann aber nur erfolgreich sein, wenn das Moment der Überraschung entsteht“.

Kühne Pläne, deren vielfältige Auswirkungen auf die Basketball- Profis eine starke Gewerkschaft um so notwendiger machen. „Natürlich müssen die Spieler mitreden“, sagt Wanninger, „aber wir hoffen, daß sie nicht gegen, sondern für die Liga arbeiten.“ Voraussetzung ist zunächst, daß zumindest in den zwölf Ländern, die derzeit in der Europaliga vertreten sind, Spielervereinigungen gegründet werden. Der deutsche Gewerkschaftstag von Barcelona kam keinesfalls zu früh. Man darf gespannt sein, ob DBB und Vereine so gelassen auf die syndikalistischen Bestrebungen der Korb-Artisten reagieren wie die FIBA.