Eltern und Lehrer überhöht

■ betr.: „Söldnerheere – Kulturge meinschaften“ (Vergleich von Schülerleistungen), taz vom 28./29.6. 97

Es ist anzumerken, daß sich der Bezug auf den fernen Osten wohl nur auf neuere Entwicklungen in Japan beziehen kann. Ich unterrichte hier Ingenieurstudenten, die sich inzwischen zu mehr als einem Drittel aus Südost- und Ostasien rekrutieren, und hatte zeitweise auch in Singapur unterrichtet. Nach meiner Erfahrung sind dabei Studenten von chinesischer Herkunft besonders geneigt, mit ja keiner anderen Lösung hervorzutreten, wenn sie vielleicht nicht völlig mit der vermeintlich vom „Lehrer“ erwarteten übereinstimmt. Dies hat besonders mit kulturellen Traditionen zu tun, bei der Eltern und Lehrer als ideale Weise überhöht dargestellt werden (wer würde denn, selbst in Deutschland, wohl der Meinung eines Konfuzius oder Lao-Tse widersprechen wollen; Lehrer fallen, verdient und unverdient, in die gleiche Kategorie).

Es kostet mich drei bis vier Jahre, den Studenten deren Ingenieurarbeit ich leite, das Handikap etwas zu verkleinern; es ist praktisch ein Versuch von Umerziehung zum selbständigen Denken.

Der englische Begriff für das „landsknechtmäßige“ Lernen ist übrigens rote-learning, und ist Kindern, deren Muttersprache Chinesisch ist, früh durch das Eintrimmen der chinesischen Zeichen angewöhnt worden. Gehen Sie doch mal durch die Straßen Singapurs, und fragen Sie sich, warum die Kinder nach der Schule bestenfalls nur fünf Minuten draußen spielen: Die Großmutter winkt dann vom Balkon, und dann geht's ab ins Kinderzimmer, für den Rest des Tages über den Schulbüchern sitzen und pauken, damit man am nächsten Tag auch genau das herausbringen kann, was dem Lehrer gefällt!

Das soll aber keine Entschuldigung für den in deutschen Schulen oft zu findenden „amtlichen“ Verwaltungsakt des Mathematik- und Physikunterrichtes sein. Ich selbst erinnere mich an rühmliche Ausnahmen, weiß aber folgendes Kollegengespräch zu kolportieren: Was, lieber Kollege, Sie müssen sich die Mühe machen, Physikversuche vorzubereiten? Ich hingegen brauche nur Kreide und Tafel!“

Ich glaube, solche Kreide- und Tafel-Mentalität ist des naturwissenschaftlichen Unterrichts Tod; wer könnte es normalentwickelten jungen Menschen verdenken, vor solchen Lehrern Reißaus zu nehmen? Ich nicht. Martin Schneiderheinze, Dozent Nachrichtentechnik School of Electrical and Computer Engineering Curtin University, Perth, Australien