Das hat Konsequenzen

■ betr.: „Der zeugt, darf auch erzie hen“, taz vom 27.6. 97

Eltern hätten künftig – so Christian Rath – mehr Autonomie bei der Regelung des Sorgerechts für ihre Kinder. Das trifft nur für unverheiratete zu, für solche in einer Scheidungssituation jedoch nicht.

[...] Eltern in einer Scheidungssituation hatten diese Möglichkeit schon seit 1982. Jetzt sieht das Gesetz vor, daß die Frage des Sorgerechts nicht mehr im Rahmen des Scheidungsverfahrens geregelt wird, sondern das gemeinsame Sorgerecht automatisch bestehen bleibt, wenn niemand einen Antrag auf Alleinsorge stellt. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich die Eltern bewußt für diese Sorgerechtsreform entscheiden oder aber – aus welchen Gründen auch immer – lediglich die Auseinandersetzung über die Frage der nachehelichen Sorge vermeiden wollen. Begründet werden muß nur die Abweichung von der gewünschten Norm, der Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge. So ganz nebenbei wird dadurch das mit der Eherechtsreform von 1976 abgeschaffte Schuldprinzip wieder eingeführt – wer die alleinige Sorge haben will, wird jetzt durch das Gesetz gezwungen, dem anderen mangelnde Eignung im Umgang mit dem Kind nachzuweisen. Mit dem Regelfall schreibt das Gesetz den Vorrang der gemeinsamen Sorge vor der alleinigen Sorge fest.

Das hat Konsequenzen: Da in den meisten Fällen – gemeinsames Sorgerecht hin oder her – nach einer Scheidung die Sorge nicht von beiden Eltern zu gleichen Teilen übernommen wird, sondern ein Elternteil, in der Regel die Frau, die Hauptverantwortung für die Kinder trägt, installiert das geplante Gesetz eine Entkoppelung von tatsächlicher Sorge und Entscheidungsbefugnissen und somit eine einseitige Stärkung der Rechte des Elternteils, der nicht mit dem Kind lebt. Darin sehen die Konservativen – wen wundert's – kein Problem. Auf Anfrage wurde seitens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärt: „Auch bei gemeinsamem Sorgerecht versteht es sich von selbst (sic!), daß ein Elternteil die Betreuung der Kinder übernimmt, während der nichtbetreuende Elternteil je nach Alter der Kinder zumindest für den Kindesunterhalt sorgen muß.“ Womit wir dann endlich wieder bei der alten patriarchalen Rollenverteilung wären. Mit anderen Worten: Wer zahlt, darf auch entscheiden – jedenfalls nicht allein und schon gar nichts Grundsätzliches. Die monatliche Überweisung stattet den nichtbetreuenden Elternteil mit Vetorecht aus – sei es bei der Frage des Schulbesuchs, sei es bei der des Wohnortes.

Zum anderen wird im Scheidungsverfahren darauf verzichtet, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die gemeinsame Sorge überhaupt gegeben sind. Das gemeinsame Sorgerecht ist nur dann sinnvoll, wenn beide Eltern trotz Trennungssituation bereit und in der Lage sind, miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann das gemeinsame Sorgerecht kindeswohlgefährdend sein – dann, wenn die Elternkonflikte auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden. [...]

Eine tatsächliche Autonomie der Eltern ist ohne eine wirkliche Wahlfreiheit bezüglich der Sorgerechtsform, die für die jeweils individuelle Situation die besten Möglichkeiten für das Kindeswohl bietet, nicht zu haben. Das würde jedoch eine Gleichbewertung und Gleichbehandlung der verschiedenen Sorgerechtsreformen voraussetzen – so wie es die PDS in ihrem Antrag zum Kindschaftsrecht gefordert hat.

Übrigens: Noch ist die obskure Idee des gemeinsamen Sorgerechts als Regelfall nach einer Scheidung nicht Gesetz. Noch gibt es die Chance, durch entsprechenden Druck von außen für andere Mehrheiten zu sorgen. Christina Schenk, MdB,

Frauenpolitische Sprecherin der

PDS-Bundestagsgruppe