US-Konzerne lieben Rumänien

Die US-Rüstungsindustrie betreibt intensive Lobbyarbeit für den schnellen Nato-Beitritt Rumäniens. Lukrative Waffengeschäfte winken  ■ Von Otfried Nassauer

Berlin (taz) – „Goodbye Nato!“ titelte die einflußreiche rumänische Tageszeitung Evenimentul Zilei. Und Emil Constantinescu, der Präsident Rumäniens, sah eine „große öffentliche Enttäuschung“ voraus. Sein Land soll nach Meinung der Clinton-Administration nicht unter den ersten neuen Nato- Mitgliedern sein.

Mit aller Macht hatte die rumänische Führung versucht, Anschluß an den Kreis der wichtigsten Nato-Aspiranten zu finden. Immer mit dem Hinweis darauf, daß Rumänien eine für die Nato strategisch wichtige geographische Lage vorweisen kann. Und daß das Land bei der Umrüstung seiner Streitkräfte auf natokompatible Standards vergleichsweise fortgeschritten ist.

Mit 2,4 Prozent des Bruttosozialproduktes fließt in Rumänien mehr Geld in die Rüstung als in vielen alten Mitgliedsstaaten des Bündnisses. Zwischen 36 und 38 Prozent des Verteidigungshaushaltes – nach Angaben des Verteidigungsministers 700 Millionen Dollar ausschließlich der westlichen Kredite – sollen allein in neue Rüstungsgüter investiert werden.

Kein Wunder, daß die amerikanische Rüstungsindustrie zu den stärksten Befürwortern einer schnellen Nato-Mitgliedschaft Rumäniens gehört. Norman R. Augustin, Spitzname „Stormin Norman“, Vorsitzender der Geschäftsführung des weltgrößten Rüstungskonzerns, Lockheed Martin, unterstützte den rumänischen Beitrittswunsch anläßlich eines Besuchs im April. Seine Firma zeichnete einen Vertrag im Wert von 82 Millionen US-Dollar über zivil-militärische Luftraumüberwachungsradare nach Nato-Standard. Sie verhandelt über ein Wartungszentrum für Transportflugzeuge vom Typ C-130 und macht sich Hoffnung, daß Rumänien fünf solcher Flugzeuge kauft. Vier gebrauchte C-130 wurden 1996 als Geschenk geliefert. Mit F-16-Kampfflugzeugen soll Rumäniens Luftwaffe ausgestattet werden; zunächst geht es um bis zu zwölf Flugzeuge für Ausbildungszwecke.

Seinen Kollegen von Bell-Textron unterstützen Rumäniens Nato-Beitritt natürlich ebenfalls. Sie lassen bei der rumänischen Firma IAR Brasov – zu 70 Prozent im Besitz von Bell – zunächst rund 100 Kampfhubschrauber des Typs AH-1 in Lizenz bauen. Das Geschäft hat einen Gegenwert von mindestens einer Millarde Dollar. Als Triebwerk für den Hubschrauber – in Rumänien patriotisch „Dracula“ genannt – soll die US- Firma General Electric liefern; sie will sich zu 20 Prozent am rumänischen Triebwerkhersteller Turbomecanica beteiligen. Auch AAI aus dem US-Bundesstaat Maryland hat einen ersten Vertrag in Rumänien bereits abgeschlossen: Gekauft wurden Shadow-Drohnen. Das Pentagon sichert 85 Prozent der Kaufsumme durch eine Finanzierungsgarantie ab.

Trotz des amerikanischen „No“ will die die rumänische Diplomatie weiter für einen schnellen Beitritt Rumäniens zur Nato werben. Gehört Rumänien nicht zur ersten Gruppe der neuen Nato-Mitglieder, so solle der Nato-Gipfel einen klar definierten Zeitplan für eine „zweite Phase der ersten Runde der Erweiterung festlegen“, heißt es im Außenministerium. Direkt nach dem Nato-Gipfel ist schließlich US-Präsident Bill Clinton in Bukarest zu Besuch.

Rumänien wird seine Lobbyarbeit in den USA noch verstärken. Zum Beispiel mit Bruce L. Jackson. Abends fungiert er als Präsident des Amerikanischen Kommitees für die Nato-Osterweiterung; tagsüber ist er Leiter der strategischen Planungsabteilung bei Lockheed Martin. Natürlich kostet die Lobbyarbeit des Komitees viel Geld. Doch dies wird künftig leichter fließen – und steuerfrei zudem.

Und Mircea Geoana, der agile rumänische Botschafter in Washington, bestätigte jüngst, daß zwei gemeinnützige Stiftungen in den USA gegründet werden sollen, die für Rumäniens Nato-Mitgliedschaft werben sollen. Die Gelder für zumindest eine der Stiftungen werden von Bell Textron, Lockheed Martin und anderen Rüstungsfirmen kommen.