Verschlimmbesserung, die sich fortschrittlich gibt

■ Das Freitag im Bundesrat auch von der SPD abgesegnete neue Ausländerrecht schafft Verwirrung: Was geschieht nun mit mißhandelten ausländischen Ehefrauen?

Berlin (taz) – Denn sie wissen nicht, was sie tun: Bei der am Freitag vom Bundesrat verabschiedeten Neufassung des Ausländerrechts hat sich die SPD offenbar komplett über den Tisch ziehen lassen – zu Lasten ausländischer Frauen, die einen gewalttätigen deutschen Ehemann erdulden müssen. „Von dieser komplizierten Materie hat doch kaum jemand in den Parteien Ahnung. Die Mitarbeiter vom Bundesinnenministerium wissen das und drücken am Ende alles durch“, formuliert es eine an der Sache Beteiligte, die nicht genannt werden will.

Bislang war die Rechtslage so: Eine Thailänderin, die von ihrem deutschen Gatten grün und blau geschlagen wird und nicht zurück in ihre Heimat will, mußte bislang mindestens drei Jahre solche Gewalt erdulden. Erst danach bekam sie nach erfolgter Scheidung ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Gegen diese Bestimmung protestierte unisono seit Jahren die gesamte frauenpolitische Szene von links bis konservativ.

Deshalb schlug die Regierungskoalition im Vorfeld der jetzigen Gesetzesänderung vor, ausländische Ehegatten sollten im Falle einer Mißhandlung bereits nach einjähriger Ehe einen eigenständigen Aufenthaltsstatus erhalten. Die SPD verweigerte dem Gesetzentwurf im Bundesrat die Zustimmung. Ob aus Unwissenheit oder Unfähigkeit: Im Vermittlungsausschuß handelte sie als Kompromiß nur eine Verschlimmbesserung für die Betroffenen aus.

Zwar wurde die Einjahresfrist gestrichen: Jetzt soll in Fällen „außergewöhnlicher Härte“ ein sofortiges Aufenthaltsrecht gewährt werden. Dafür aber wird nicht mehr im Gesetzestext selbst definiert, was alles unter diese Bestimmung fällt.

Es heißt wie verabschiedet nun: „Eine außergewöhnliche Härte [...] liegt vor, wenn [...] so erhebliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der bestehenden Rückkehrverpflichtung drohen, daß die Versagung der Aufenthaltserlaubnis als nicht vertretbar erscheinen würde.“

Das ist entweder tautologischer Dünnsinn („eine Härte ist eine Härte“) oder ein absichtlich verklausulierter Hinweis, daß die Verhältnisse im Herkunftsland der Betroffenen („eine Härte wäre es beispielsweise, eine von Steinigung bedrohte Iranerin abzuschieben“) berücksichtigt werden müßten. Kein Wunder, daß in der Folge völlige Verwirrung entstand.

Bündnisgrüne und Fraueninitiativen empörten sich, die „außergewöhnliche Härte“ beziehe sich nur auf das Herkunftsland. SPD- und FDP-Abgeordnete indes lobten, kolportiert von diversen Nachrichtenagenturen, den neuen Schutz für verprügelte Ehefrauen als echten Fortschritt der vielerorts heftig kritisierten Änderung des Ausländergesetzes.

Auf Nachfrage verwies man im Büro der SPD-Verhandlungsführerin Ulla Schmidt auf die von SPD und CDU gemeinsam verfaßte „Erklärung“ des Vermittlungsausschusses. Darin werde klargestellt, daß auch physische oder psychische Mißhandlung oder Kindesmißbrauch unter „außergewöhnliche Härten“ fielen. Die Gerichte seien angehalten, die – in dieser Erklärung zusammengefaßte – Intention des Gesetzgebers zu berücksichtigen.

Das ist zwar formal richtig. Aber warum steht es dann nicht klar und eindeutig im Gesetz selbst? Weshalb wird im Gesetzestext „hü!“ geschrien und in der Erklärung des Vermittlungsausschusses „hott!“? Die Verwirrung darüber wird wohl epidemische Ausmaße annehmen.

Übrigens auch noch in einem anderen Punkt: Ebenso unklar formuliert ist der Passus, ob die Frauen abgeschoben werden dürfen, sobald sie Sozialhilfe beziehen. Da die meisten auf staatliche Hilfe angewiesen sein dürften – ins Frauenhaus geflüchtete Frauen, Ehegattinnen ohne eigenes Einkommen oder eigene Arbeitserlaubnis –, könnten die Behörden auf diese Weise den ganzen Paragraphen aushebeln. Ute Scheub