Soldaten spielen Vergewaltigung

■ Vor Bosnien-Einsatz drehten Bundeswehrrekruten ein Gewaltvideo - und ihre Vorgesetzten fanden es nicht skandalös. Bonner Hardthöhe droht Konsequenzen an, doch die Täter können nicht bestraft werden

Berlin (AP/taz) – Glaubt man dem Bericht der Wehrbeauftragten, ist die Truppe gegen Rechtsradikalismus und Gewaltverherrlichung gefeit. Doch binnen weniger Monate sorgen junge Bundeswehrsoldaten – nach dem Überfall auf Ausländer in Detmold – abermals für einen Skandal.

Am Wochenende tauchte ein Video auf, das ehemalige Wehrpflichtige des Jägerbatallons 571 aus Schneeberg im Erzgebirge gedreht haben. Darin stellen acht Grundwehrdienstler Vergewaltigungsszenen und Scheinhinrichtungen dar. Sie lassen einen Kameraden eine alte Frau spielen, die sich mit einem Holzkreuz durch den Wald schleppt. Wenig später sieht man, wie sie am Kreuz hängt. Ein Mann in Uniform hängt gefesselt an einem Baum und wird von seinen Kameraden hingerichtet.

Eine andere Sequenz zeigt vier vermummte Gestalten, die einen am Boden liegenden Mann mit Knüppeln traktieren. Gedreht wurde das Video im Frühjahr vorigen Jahres auf einem Truppenübungsplatz der Infanterieschule im fränkischen Hammelburg. Die Soldaten bereiteten sich damals auf ihren Bosnien-Einsatz vor. Das TV-Magazin „Akte 97“ sendet den Film heute auf Sat.1.

Nach Angaben aus Bundeswehrkreisen soll von den Darstellern des Videos niemand mehr bei der Truppe sein. Oberstleutnant Wolfgang Schraut, der Kommandeur der Einheit, beteuerte in der BamS: „An die kommen wir nicht mehr ran.“ Ermittelt werde derzeit gegen noch aktive Kameraden der Ausgeschiedenen, weil sie ihren Vorgesetzten keine Meldung über das Video machten. Denn gelegentlich hätten die Kameraden das Band im Freundeskreis ihrer Einheit gezeigt. Auch Vorgesetzte sollen es gesehen haben.

Das Bundesverteidigungsministerium in Bonn versicherte unterdessen, es werde „unverzüglich und unnachsichtig alle notwendigen Maßnahmen ergreifen“, um die Vorgänge aufzuklären. Kritische Soldaten, die sich im „Darmstädter Signal“ zusammengeschlossen haben, erklärten, der Vorfall verdeutliche „zahlreiche“ Ausbildungs- und Führungsmängel innerhalb der Bundeswehr“. Die Gruppe bemängelt, der politische Unterricht der Rekruten sei häufig unqualifiziert.

Während die Rekruten sich in Hammelburg auf einen Ifor-Einsatz in Bosnien vorbereiteten, stand auch eine Unterrichtseinheit „Einheimische Bevölkerung und Provokateure“ auf dem Programm. Dieses Training soll Soldaten mit bedrohlichen Situationen vertraut machen. Offenbar wurde das Video während einer Ausbildungspause gedreht.

Einen Zusammenhang zwischen der Ausbildungslektion und den Videodarstellungen will auf der Hardthöhe niemand erkennen. Die Tat sei ein Einzelfall, durch den alle anderen Soldaten zu Unrecht verunglimpft würden, hieß es in einer Stellungnahme.

Dieser Argumentation der Hardthöhe mögen die Bündnisgrünen nicht folgen. Ihre verteidigungspolitische Sprecherin, Angelika Beer, sagte, das Konzept der Inneren Führung sei offenbar wirkungslos gegenüber zunehmenden rechtsextremen Tendenzen und Brutalitäten in der Bundeswehr. Es müsse offengelegt werden, welche Führungsmängel dazu geführt hätten, daß der skandalöse Vorgang über ein Jahr lang verschwiegen worden sei. roga