„Rassistisches Sondergesetz“

■ Zum Schutz „deutscher Interessen“bekommt der in Hamburg lebende peruanische Rebellen-Sprecher Velazco einen Maulkorb

Hartmut Jacobi reagierte gelassen. Er müsse „erst einmal die Akten studieren“, bevor er und sein Mandant „Stellung zu der Verfügung der Hamburger Innenbehörde nehmen“würden, erklärte der Anwalt auf taz-Anfrage. Jacobis Mandant ist kein Unbekannter: Als Europasprecher der peruanischen Tupac-Amaru-Rebellen (MRTA) bezog der in Hamburg lebende Isaac Velazco wiederholt Position zu der blutig beendeten Geiselnahme in der japanischen Botschaft in Lima. Mitte vergangener Woche erhielt Velazco die Quittung für seine deutlichen Worte. Auf Veranlassung des Bundesinnenministeriums kündigte die Hamburger Innenbehörde an, Velazco seine „politische Betätigung“teilweise zu untersagen.

Dem Sprecher der peruanischen Guerilla sollen alle Äußerungen verboten werden, die „im Zusammenhang mit der MRTA die Anwendung von Gewalt befürworten, rechtfertigen oder ankündigen“. Die emsige Betriebsamkeit der Hamburger Innenbehörde erfolgte nicht grundlos: Das Auswärtige Amt sehe „eine erhebliche Gefährdung der außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik“auf sich zukommen, hieß es zur Begründung.

Da Velazco die Geiselnahme gerechtfertigt und die Fortsetzung des Kampfes gegen das „brutale Re-gime“in Peru angekündigt hatte, sieht die Innenbehörde die Voraussetzungen für ein Betätigungsverbot nach Paragraph 37 des Ausländergesetzes gegeben. Danach kann ausländischen Mitbürgern jede Befürwortung „von Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele“untersagt werden. Wochenlang hatten Behördenmitarbeiter Velazcos Interviews nach Zitaten durchforstet, die ein solches Verbot rechtfertigen könnten. Schließlich wurden sie fündig.

Für die restriktive Maßnahme gibt es kaum Vorbilder. Selbst der Hamburger Innenbehörde ist bundesweit nur „ein einziger Fall bekannt“, in dem der Maulkorb-Erlaß Anwendung fand. Einem in Köln lebenden „islamischen Fundamentalisten“sei voriges Jahr ebenfalls die Betätigung verboten worden, weiß Behörden-Sprecher Christian Georg Schuppe. Bis Ende Juli hat Velazco Zeit, zu der beabsichtigten Verfügung Stellung zu nehmen. Danach soll sie in Kraft treten. Sollte Velazco trotz Maulkorb-Erlaß der Gewalt nicht öffentlich abschwören, droht ihm eine Geldstrafe bis zu 5000 Mark, im Wiederholungsfall ein Jahr Gefängnis.

Der Bundesvorstand der „Roten Hilfe“forderte die Innenbehörde inzwischen auf, den „Maulkorb-Erlaß“nicht zu verhängen. Ein Sprecher der Solidaritätsorganisation für politisch Verfolgte bezeichnete die Möglichkeit, „Ausländern Meinungsäußerungen zu verbieten, die Deutschen erlaubt sind“, als „rassistisches Sondergesetz“. Durch das geplante Redeverbot würde die Innenbehörde „auch die Informationsfreiheit der hier lebenden Menschen massiv einschränken“. Marco Carini