Nach der Enttäuschung kommt die Moral

■ Kritikerschelten ihres Musikfilms „Bandits“lehren die Regisseurin Katja von Garnier das Publikum zu lieben / Die Erschütterung des Weltbildes kommt aus der Rezension

Auch auf Katja von Garnier lasten nach dem Erfolg ihres Erstlings „Abgeschminkt“geballte deutsche Kinohoffnungen. Die mauen Reaktionen auf „Bandits“, dem immerhin die Ehre der Eröffnung der Münchener Filmfestspiele zuteil wurde, enttäuschten umso mehr. Bei der Bremen-Premiere in der „Schauburg“bemühten sich die Regisseurin sowie die Schauspielerinnen Nicolette Krebitz, Katja Riemann und Jasmin Tabatabai um Schadensbegrenzung.

taz: Frau von Garnier, Sie haben Ihren Film als einen dramatischen Musikfilm bezeichnet, wie kommt der Musikfilm mit dem dramatischen Part zusammen?

Katja von Garnier: Musikfilm ist das Genre, das ich wollte. Mir gefiel dieser Grundgedanke, Musik als Ventil zu benutzen sehr gut. Musik und Kriminalität, Musik als Ventil für angestaute Emotionen, Aggressionen, Wut, Verzweiflung, Zorn, also alles, was man so in sich trägt.

Haben sich die Charaktere während der Dreharbeiten noch verändert und sind die individuellen Charaktere der Darstellerinnen in diese Rollen mit eingeflossen?

von Garnier: Vorher ganz viel, wir hatten ja ein Jahr gemeinsame Vorbereitung. Natürlich ist es für eine Regisseurin und Autorin ein Luxus, wenn man Leute bei sich hat, die sich dann nur mit dem jeweiligen Charakter befassen. Davon kann man irrsinnig profitieren, weil man dadurch die Möglichkeit hat, mehrdimensionale Charaktere zu schaffen.

Frauensolidarität spielt in Ihrem Film eine große Rolle.

von Garnier: Das Rückgrat unserer Geschichte ist eine Freundschaftsgeschichte, und ich dachte einfach, daß es das als Musikfilm noch nicht gibt oder ich es noch nicht gesehen habe.

Sie wollten also schon auch Frauensolidarität darstellen?

von Garnier: Nicht als Programm im Sinne von Geschlechterkampf, ich denke, da sind wir inzwischen weiter. Dazu kommt, daß ich im Vorfeld ganz viele Leute befragt habe, was sie schon immer mal tun wollten, sich aber nicht getraut haben. Ganz oft kamen Dinge, die man nicht macht. Ich wollte gerne Leute sehen, die sich dann gerade nach ihrem unmittelbaren Gefühl verhalten. Und die Bandits sind so.

Bandits hat zum Teil heftige Kritiken provoziert. Wie geht die Regisseurin damit um?

von Garnier: Auf unterschiedliche Weise. Über die unsachlichen bin ich nur enttäuscht oder traurig. Da wird eine Behauptung aufgestellt, die nicht von uns und nicht von mir stammt, und dann wird in diesem ganzen Beitrag alles, was in unserem Film vorkommt, an dieser Behauptung gemessen. Davon bin ich dann überrascht, weil es einfach böswillig oder mutwillig ist. Aber wir haben jetzt ein Gleichgewicht – wir sind jetzt eine Woche unterwegs –, daß der Zuschauer eben anders reagiert. Die Zuschauerreaktionen sind bisher überwältigend positiv für uns, und das ist letztendlich auch das, was zählt und wichtiger ist.

Da sind noch zwei Sachen enttäuschend daran, einmal wenn man weiß, da war jemand im Film und fand ihn toll, hört dann irgendetwas und schreibt dann was, das nicht seiner eigenen Empfindung entspricht, weil sie sich nicht mehr traut, das finde ich menschlich enttäuschend, weil es letztendlich rückgratlos ist. Da lerne ich gerade, da ist so ein bißchen mein Weltbild erschüttert, da kommen so Sachen wie Moral und Ungerechtigkeit.

Letztendlich ist entscheidend, was das Publikum sagt. Ich glaube aber auch, daß viele Leute über eine neue Erzählweise stolpern oder keine Schublade haben, und weil sie keine haben, machen sie sich dann nicht mehr die Mühe, da noch mal genauer hinzuschauen.

Lesen sie die Kritiken auch selber?

von Garnier: Manche lese ich auch nicht.

Riemann: Weil ich es ihr verboten habe.

von Garnier: Zum Beispiel eine Kritik, die zu sehr auf die Form geht. Das ist, wie wenn man über eine Person etwas sagt und redet nur über die Kleider und nicht über die Person.

Aber die Freude über die Reaktion des Publikums überwiegt jetzt erst mal?

von Garnier: Auf jeden Fall, und ich muß dazu sagen, auch der Stolz und die Freude darüber wie der Film geworden ist.

Sie haben jetzt schon eine Woche PR-Tour hinter sich. Was versprechen Sie sich von so einer Tour?

Tabatabai: Die unmittelbare Chance, mit den Leuten zu reden. Außerdem ist es sehr schön, sich mal vor dem Publikum zu verneigen, was man sonst sehr selten kann als Filmschauspieler.

Wie bewerten Sie die ganze Vermarktung, die zum Filmgeschäft gehört, PR und Merchandising.

von Garnier: Ehrlich gesagt bin ich sehr froh, daß mittlerweile auch der eine oder andere deutsche Film den Luxus von gutem Marketing genießt. Denn das ist genau das, was bis vor ein paar Jahren noch nicht funktioniert hat. Das ist ja eine Grundvoraussetzung dafür, daß der Zuschauer den Film ansieht, und die habe ich. Wenn man will, daß sich die Zuschauer einen Film besuchen, muß man auch einiges dafür tun.

Es ist Ihnen in Kritiken der Vorwurf gemacht worden, daß es zuviel des Guten ist....

Garnier: Es ist das normalste von der Welt, wie bei anderen deutschen Filmen auch, daß es eine Platte und ein Buch zum Film gibt. Es gibt bei uns nicht mehr als bei anderen Filmen auch.

Tabatabai: Wir haben ein ganz tolles Making-of-Buch, das haben wir selber gemacht, zusammen mit Mark Wilkens,

Ich erlebe Sie hier als eingeschworene Gemeinschaft, könnten Sie sich vorstellen, wieder einen Film zusammen zu machen?

von Garnier: Für mich wird es wahrscheinlich schwer, nicht einen zusammen zu machen.

Fragen: Irmgard Jäger