Ein Kerl wie Stoitschkow

Aleksander Djordjevic hat Jugoslawien zum EM-Titel geführt – und seinen Ruf als wertvollster und giftigster Basketballer Europas bestätigt  ■ Aus Barcelona Matti Lieske

Leicht danebengetroffen hatte die spanische Zeitung El Pais, als sie ausgerechnet Sasha Danilovic als den „Stoitschkow des Basketballs“ bezeichnete. Dabei wirkt der ehemalige NBA-Spieler von Miami Heat und Dallas Mavericks auf dem Spielfeld eher ruhig und gleichmütig, auch wenn er sich das coole Kaugummikauen während des Matches inzwischen abgewöhnt hat – vermutlich hat er sich einmal bös verschluckt. Wenn es einen Stoitschkow des Basketballs gibt, dann ist es Aleksander Djordjevic. Offenbar hat der zum MVP, zum besten Spieler der Europameisterschaft, gewählte Spielmacher des FC Barcelona ebenfalls El Pais gelesen. Während des Finales, das die Jugoslawen gegen Italien mit 61:49 gewannen, bemühte er sich jedenfalls redlich, die Sache zurechtzurücken.

Als ihn Alessandro Abbio beim Korbleger rüde foulte, versetzte er dem Übeltäter einen wohlgezielten Fausthieb, kam aber dank MVP-Bonus ohne technisches Foul davon. „Das hätte ich nicht tun sollen“, kommentierte er die hitzige Szene anschließend, besonders reumütig sah er dabei nicht aus.

Sollte Djordjevic nach seiner Karriere Trainer werden, was stark zu vermuten ist, sind seine Spieler nicht zu beneiden. Schon jetzt haben jüngere Leute wie Beric oder Loncar manch harsche Worte einzustecken, wenn sie dem Meister auf dem Feld in die Quere kommen. Und wenn er gerade nicht spielt, steht er meist an der Seite von Coach Zeljko Obradovic am Spielfeldrand, zetert, kritisiert, motiviert oder hadert mit den Schiedsrichtern, was ja auch Stoitschkow liebend gern tut.

Was ihn allerdings deutlich vom bulgarischen Fußballer unterscheidet, ist, daß er erheblich besser spielt in jüngster Zeit. Nach seinem mißglückten NBA-Abenteuer bei den Portland Trail Blazers, wo ihn der unverständige, inzwischen gefeuerte Coach P. J. Carlesimo meist auf der Bank schmoren ließ, hat er in Barcelona wieder zu alter Form gefunden, die er auch in die Europameisterschaft hinüberrettete.

Glänzen konnte Djordjevic vor allem in der ersten EM-Woche, als er noch keine Oberschenkelbeschwerden hatte, die ihn am Ende deutlich behinderten. Imposant seine Soloperformance gegen die Italiener, als er in der Schlußphase einen Dreier nach dem anderen versenkte und einen beträchtlichen Rückstand fast wettmachte, bis er mit dem fünften Foul disqualifiziert wurde und Jugoslawien doch noch verlor – das einzige Mal bei diesem Turnier. Noch imposanter sein Dreier in letzer Sekunde zum Sieg gegen die Kroaten, welchen die Jugoslawen begeisterter feierten als ihren Titel am Sonntag.

Es war genug, um ihn zum besten Spieler zu wählen, zumal er auch in Halbfinale und Finale trotz Verletzung mit wichtigen Punkten, Assists und guter Verteidigung zum Erfolg seines Teams beitrug. Spieler wie er, Danilovic oder der ungemein zuverlässige Bodiroga (Real Madrid) sind es, die letztlich den Unterschied zwischen Jugoslawien und dem Rest ausmachen, obwohl der alte und neue Titelträger selten brillant spielte.

Grundlage des Finalsiegs gegen Italien war wieder einmal die unerbittliche Defense, mit der der italienische Angriff förmlich erstickt wurde. „Sie haben alle Wege versperrt, unsere gefährlichsten Schützen Myers und Fucka glänzend verteidigt und uns keine einzige leichte Aktion gestattet“, sagte Italiens Coach Ettore Messina später. In seiner Hilflosigkeit ließ er Carlton Myers jede Menge Dreier schießen. „Warum, habe ich mich selbst gefragt“, sagte er halb scherzhaft, „es ist sicher nicht unsere beste Art, Basketball zu spielen.“

Myers, der das Halbfinale gegen die Russen fast allein entschieden hatte, brachte es am Ende zwar auf 17 Punkte, aber bei der Zahl der Würfe, die er nahm, war das längst nicht genug. Von 13 Dreipunktversuchen landeten nur drei im Korb, insgesamt betrug seine Trefferquote aus dem Feld 6 von 22.

Die jugoslawische Lazarett- mannschaft – Danilovic spielte mit verstauchtem Knöchel – hatte das Match jederzeit im Griff, punktete aber auch nicht gerade übermäßig, wie das niedrige Endergebnis zeigt. Ihr bester Werfer war Bodiroga mit 14 Punkten. So sahen die Zuschauer im Palau Sant Jordi eine zerfahrene, verkrampfte Partie mit langsam vorgetragenen Angriffen und vielen Fehlwürfen. Das war typisch für diese EM und längst nicht zu vergleichen mit dem ebenso hochklassigen wie kontroversen Finale von 1995 zwischen Jugoslawien und Litauen. Das Ende indes war ähnlich, auch wenn das skandalumwitterte Siegeszeichen der Jugoslawen, die drei gespreizten Finger, diesmal sehr verstohlen kam und meist schnell durch den gestreckten Boris-Becker-Zeigefinger abgemildert wurde.

Darauf angesprochen, wurde Aleksander Djordjevic noch einmal ziemlich giftig. Mit Politik habe das Zeichen überhaupt nichts zu tun, sagte der 29jährige mit zorngefurchter Stirn, es sei lediglich ein Signal, daß die Spieler stolz seien, für ihr Land zu siegen. Hristo Stoitschkow, der den vor einer Woche mit dem FC Barcelona gewonnenen „Pokal des Königs“ kürzlich voller Pathos „unserem König von Katalonien, Jordi Pujol“ widmete, hätte es nicht besser sagen können.