Schlag deine Zähne in weiße Haut hinein

■ In Paris gab sich die neuste Mode aus Korea gruftig, melancholisch und erotisch

Mit lebenden Männern mag bei diesen Schauen ja nicht viel los sein, aber als Leichen sind sie sehr verführerisch. Walter van Beirendoncks „Black beautys“ sind Punks in schwarzen, zerlöcherten und überaus engen Hosen. Um den Oberkörper ist eine Art schwarzer Schleier drapiert oder ein zerrissener Stoffstreifen. Durch die Lücken leuchtet sehr weiße Haut: Schlag deine Zähne hier hinein.

Fast noch spektakulärer waren seine Frauenkleider. Die Damen legten mit ihren Kavalieren ein beschwingtes Tänzchen hin. Sie trugen lange Kleider aus Seide oder einem synthetischen Material, die oft wie eine Krinoline geformt waren, aber dabei federleicht hin und her wippten. Eins war orange und am Rock über und über mit winzigen Volants bedeckt. Ein anderes, giftgrün und durchsichtig, hatte hinten eine Schleppe und war mit riesigen Rüschenpuscheln übersät. Passend zum feierlichen Anlaß trugen die Damen und Herren zu ihrer Garderobe grüne Gasmasken, die in der Form von Schweineköpfen gehalten waren, und lange grüne Handschuhe.

Und was kommt hier? Ein großer kräftiger Kerl in Netzstrumpfhosen, winzigen Lackshorts und einem Nadelstreifenjackett, das über der breiten Brust von elastischen Bändern zusammengehalten wird. Die Taille ist geradezu beängstigend schmal, die Schultern sind sehr breit und sehr spitz. Darüber glänzt ein silbrig- weiß geschminktes Gesicht, und über den Rücken fallen bis fast zum Hintern dicke schwarze Rastaflechten. Alles ist schwarz. Die Jacken haben immer dieselbe Form, dafür sitzen sie wirklich wie angegossen. Ich habe noch nie Männer mit solchen Taillen gesehen.

Einige Jacken haben Einsätze aus Netzstoff. Die T-Shirts sind aus durchsichtigem Chiffon oder einem Stoff, der wie Latex glänzt, aber ganz weich aussieht. Nichts daran ist lächerlich, die Kleider sind vielmehr von einer unsagbar melancholischen Erotik. Man weiß nicht, ob man vor diesen halbnackten Vampiren fliehen oder sie retten soll.

Hinter dem Label No Sun Gun verbirgt sich eine koreanische Designerin. Bei Ilario Mori flattern den Models knapp knielange Bermudashorts aus Jersey um die Beine. Einer von ihnen hat eine ziemlich große Narbe in der Kniekehle. Am schönsten sind die Pullover. Sie haben einen viereckigen Ausschnitt, der ein kleines Stück vom Schlüsselbein freilegt. Es ist eine sehr verletzbare, fast rührende Stelle.

Dirk Bikkembergs will keinen Ferrari haben, er will einer sein. In einem Anzug, der „unzerstörbar“ ist wie eine „Karosserie“ (Presseheft). Zum Glück hat er mehr Hirn als Unterbewußtsein. Seine Anzüge sind eher schmal als wuchtig, mit taillierten Jacken, verdeckten Knopfleisten und unsichtbar in die Seitennaht eingearbeiteten Taschen.

Die Hosen schließen am Saum wie eine Trainingshose mit einem Gummibund ab. Vier Abnäher oben machen einen hübschen runden Hintern. Das ist besonders wirkungsvoll, wenn dazu hautenge T-Shirts und Pullover getragen werden: Trotz ihrer muskulösen Körper sehen die Models darin wie junge Damen aus dem 19. Jahrhundert aus – mit schmalen Taillen und stark abfallenden Schultern.

Eine große Enttäuschung waren die Schauen von Yamamoto und Comme des Garçon. Beide hatten „normale Männer“ als Models. Die meisten waren über Vierzig, kurzbeinig und hatten einen fetten Bauch. Besten Dank. Die Anzüge waren formlos weit und knittrig. Ich finde das nicht weniger konservativ als einen klassischen Anzug. Beide behaupten, der Mann hätte es nicht nötig, auf seinen Körper zu achten. Der eine, weil er erfolgreich ist, der andere, weil er so eine unkonventionelle schöne Seele hat. Frauen macht man solche Zugeständnisse allerdings nicht. Wer will schon mit einer schönen Seele ins Bett? Anja Seeliger