Netanjahu ernennt neuen Finanzminister

■ Ariel Scharon wird ausgetrickst. Koalitionskrise in Israel schwelt weiter

Jerusalem (taz) – Überraschend hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gestern den ehemaligen Justizminister Jaakov Neman zum neuen Finanzminister ernannt. Erwartet worden war, daß der bisherige Infrastrukturminister Ariel Scharon neuer Finanzminister werden würde. Der bisherige Finanzminister und einflußreiche Likud-Politiker Dan Meridor war vor drei Wochen zurückgetreten, weil er nach eigenen Worten kein Vertrauen mehr in die Regierungsfähigkeit Netanjahus setzte. Meridor hatte Netanjahus Verhalten in der sogeannten Bar-On-Affaire wiederholt kritisiert.

Nach Presseberichten hatte Netanjahu Scharon bereits zugesagt, ihn als Finanzminister auch ins „innere Sicherheitskabinett“ zu holen, dem bisher nur der Ministerpräsident selbst, Verteidigungsminister Jitzhak Mordechai und Außenminister David Levy angehören. Dagegen hatte Levy, der im vergangenen Jahr selbst dafür gesorgt hatte, daß Scharon überhaupt ins Kabinett übernommen wurde, massiven Einspruch erhoben. Levy fürchtete insbesondere, daß Scharon ihm seine Rolle als Chefunterhändler mit den Palästinensern streitig machen würde. Scharon hatte sich vor knapp drei Wochen insgeheim mit dem Chefunterhändler der Palästinenser, Abu Mazen (Machmud Abbas), getroffen, um eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen vorzubereiten. Eine Zusammenkunft mit dem „Erzterroristen“ Jassir Arafat hatte er allerdings kategorisch ausgeschlossen.

Das „innere Sicherheitskabinett“, das zuletzt den Teilrückzug aus Hebron beschloß, bezeichnete Levy abwertend als „kitchenette“. Levy hatte wiederholt mit seinem Rücktritt gedroht, sollte dieses „kitchenette“ nicht aufgelöst werden. In einem Gespräch am vergangenen Freitag akzeptierte Ministerpräsident Netanjahu Levys Forderungen im wesentlichen, um die Koalition zu retten, und erklärte, daß er andere Möglichkeiten der Kooperation mit Scharon finden werde. Am Sonntag hatten sich Levy und Netanjahu zu einem weiteren Gespräch getroffen, das „mehr Übereinstimmungen als Meinungsverschiedenheiten“ zutage brachte, wie ein Sprecher von Levy erklärte. Nach Presseberichten soll Levy künftig die alleinige Verantwortung für Verhandlungen mit den Palästinensern erhalten. Ob der Koalitionsstreit damit beigelegt ist, bleibt fraglich. Scharon dürfte sich mit dieser Niederlage nicht ohne weiteres abfinden.

Der neue Finanzminister Neman war im Sommer 1996 von seinem Posten als Justizminister zurückgetreten. Ihm war vorgeworfen worden, einen britisch-israelischen Geschäftsmann dazu überredet zu haben, Korruptionsvorwürfe gegen den früheren Innenminister und ultraorthodoxen Politiker der Shas-Partei, Arier Deri, zurückzunehmen.

Deri muß sich gleichwohl wegen Koruptionsvorwürfen verantworten. Er ist auch der letzte Angeklagte in der Bar-On-Affäre. Für die Zustimmung seiner Partei zum Teilrückzug aus Hebron soll Deri die Ernennung von Generalstaatsanwalts Bar-On durchgesetzt haben, mit der Aussicht auf eine Niederschlagung oder Einstellung seines Verfahrens. Neman hatte stets seine Unschuld betont und erklärt, daß er aus der Untersuchung „mit einer weißen Weste“ hervorgehen werde. Dies ist auch geschehen. Netanjahu hatte Neman in diesem Fall die Rückkehr ins Kabinett versprochen. Georg Baltissen