Bundeswehrvideo als Appetithäppchen auf dem Bildschirm: „Das schlachten wir so richtig aus“

Berlin (taz) – Unweigerlich denkt man an die Bilder aus dem Fundus des TV-Fälschers Michael Born. An die Ku-Klux-KlanKapuzen und die angeklebten Schnurrbärte. Der Unterschied: Diesmal sind es nicht Borns Freunde, sondern Bundeswehrsoldaten, die während der Mittagspause Vergewaltigung und Hinrichtung spielen. Die Gemeinsamkeit: Mit dem Gruselvideo aus der Kaserne wird so verfahren wie mit dem Material aus Borns Bastelkeller. Diesmal heißt die Videothek zwar nicht „Stern TV“, sondern „Akte 97“ – aber wie im Falle Born wird alles getan, um mit inszeniertem, reißerischem Bildmaterial die Einschaltquote hochzutreiben. Wobei es Sat.1 ganz gelegen kommt, daß man mit der Bild quasi eine Programmzeitschrift in eigener Sache im Haus hat.

„Das Video wird bei Springer überall herumgereicht“, sagt Pressesprecher Helmuth Wendt vom Verteidigungsministerium. Tatsächlich zögerte Sat.1 den Ausstrahlungstermin so lange hinaus, bis via Bild und Bild am Sonntag auch der letzte Sommerausflügler wußte, wann Showtime ist.

„Es geht nicht, daß derart eklatante Verstöße gegen die Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens unter den Teppich gekehrt werden“, verteidigt Sat.1- Chefredakteur Jörg Howe die Ausstrahlung. „Das hat nichts mit Sensationsjournalismus zu tun, sondern viel mit journalistischem Einsatz zur Achtung der Menschenwürde.“

Das Problem ist nur, daß Sat.1 die Ausschnitte ausgerechnet dort plazierte, wo der Sensationsjournalismus täglich neu erfunden wird: zunächst als Appetithappen im Boulevardmagazin „„Blitz“ und später ausführlich in Uli Meyers Reportagenmagazin „Akte 97“. Schließlich hatte eine Mitarbeiterin schon morgens frohlockt: „Das schlachten wir so richtig aus.“

Auf die Frage, warum das Video nicht schon am Sonntag gesendet wurde, hieß es bei Sat.1, daß es am Wochende „keine richtigen Formate“ dafür gebe. Zu der Behauptung, das Video sei nur gedreht worden, um damit Geld zu verdienen, stellte Sat.1 klar, „daß weder der Sender noch irgend jemand im Auftrag von Sat.1 für dieses Videomaterial Geld gezahlt hat“.

Bei der Bundeswehr konnte man sich so noch einmal auf einen schönen Fernsehabend freuen – denn im Gegensatz zu Sat.1 war man auf der Bonner Hardthöhe bis gestern noch gar nicht im Besitz des Videos. Immerhin zeigte sich Sat.1 inzwischen generös und schickte Verteidigungsminister Volker Rühe gestern eine Kopie.Oliver Gehrs