„Die Hoffnung auf einen Wechsel ohne Gewalt“

■ Der mexikanische Karikaturist Rafael Barajas Duran alias „El Fisgón“ bezeichnet das Wahlergebnis in Mexiko als epochalen Einschnitt in der Geschichte seines Landes

Rafael Barajas Duran, Künstlername „El Fisgón“, ist Berater der PRD. Er veröffentlicht täglich politische Karikaturen in der regierungskritischen Zeitung „La Jornada“. Außerdem gibt er mit vier anderen Karikaturisten die Satirezeitschrift „Chamuco“ heraus.

taz: Wie arbeitet es sich als Karikaturist in Mexiko zum Ende dieses Jahrhunderts?

El Fisgón: Ich gehöre zu dieser Art von Leuten, die nie zufrieden sind, die immer rummeckern, die ständig an bestimmten Teilen der Gesellschaft herumkritisieren. Die Grundtechnik der Karikatur besteht darin, ausschließlich die Fehler, die Mängel zu sehen.

Da gibt es viel zu gucken...

In Mexiko gab es da eine erstaunliche Entwicklung: Unsere Politiker haben sich wahnsinnig angestrengt, damit die politische Wirklichkeit heute so aussieht wie die Karikaturen, die wir vor zehn, fünfzehn Jahren von ihnen gemacht haben.

Viele bezeichnen das Wahlergebnis vom Sonntag als epochalen Einschnitt in der mexikanischen Geschichte. Ist das so?

Definitiv. Der Verlust der absoluten PRI-Mehrheit im Parlament bedeutet, daß es zum erstenmal in der Geschichte Mexikos ein unabhängiges Parlament geben wird. Genauso wichtig ist der Wahlsieg von Cardenas in Mexiko-Stadt: Alle in Mexiko haben diese Wahlen als eine Art Referendum über die bisherige Regierungspolitik gesehen, als einen Denkzettel für den Präsidenten Ernesto Zedillo. Die Wahl von Cardenas ist auch ein Vorgeschmack auf die Präsidentschaftswahlen des Jahres 2000: die Hoffnung auf einen Wechsel ohne Gewalt.

Ist die PRD denn dazu in der Lage?

Der Sieg ist für die Linke selbst gefährlich: Cardenas wird einer Reihe von Problemen innerhalb seiner eigenen Partei gegenüberstehen. Da gibt es eine Menge Leute, die ursprünglich aus der PRI kommen – von der Parteilinken zwar, aber aus der PRI. Die werden sich wie ganz traditionelle PRI-Leute benehmen, Posten fordern, um die Macht schachern. Das muß Cardenas verhindern.

Kann er das?

Er muß. Es ist seine historische Verantwortung. Genauso, wie seine Regierung frei von jeder Korruption sein muß. Außerdem wird alle Welt genau hinsehen, was er macht.

Auch die Karikaturisten?

Natürlich. Wir haben Cardenas die ganze Zeit unterstützt, jetzt ist die Zeit gekommen, ihn zu kritisieren, obwohl uns das schwerfällt. Nicht weil Cardenas keine Fehler hätte, er hat jede Menge. Sondern weil die Diffamierungskampagne gegen ihn so brutal war, daß wir uns da nicht anschließen wollten.

Aber wenn er jetzt in der Regierung ist?

Dann müssen wir das machen. Aber eins muß klar sein: Cardenas hat Fehler, aber er hat bisher kein Verbrechen begangen. Die PRI hat Verbrechen begangen. Dazu kommt, daß seine Macht als Bürgermeister stark eingeschränkt ist. Er darf zum Beispiel seinen Polizeichef nicht selbst einsetzen, das macht weiter der Präsident. Der Präsident setzt auch die Stellvertreter des Bürgermeisters ein. Damit ist Cardenas eine Regierung in der Opposition, auch gegen die Interessen der großen Finanzgruppen in Mexiko.

Kann das gutgehen?

Schwierig.

Wie werden sich die Karikaturisten verhalten?

Ach je, wir sind doch immer die Moralisten. Wir kritisieren, was zu kritisieren ist, und heißen gut, was gut ist. Ganz einfach. Interview: Bernd Pickert