: Alberne Kommerz- und Karnevalsparaden
■ betr.: „Von Homos, Liebe und Selbsthaß“, taz vom 28./ 29.6. 97
Auch wenn Jan Feddersen Jahr für Jahr erneut beschwört, die albernen Kommerz- und Karnevalsparaden, die vorgeben, sich auf den militanten Aufstand von Schwulen, Tunten und Transen gegen die Staatsgewalt 1969 in New York zu beziehen, seien ein „politisches Ereignis“, wird seine Aussage dennoch nicht richtiger. Schlimm ist, daß er immer wieder KollegInnen findet, die seine Aussagen teilen. Es spricht, wie bei Feddersen so oft, nicht für seriösen Journalismus, daß lediglich die Homo-Bewegung der 70er/80er Jahre als Ansammlung von Vereinen dargestellt wird, während eine Analyse der ach so erfolgreichen 90er Bewegung als Ansammlung von Kommerz, Partei-Homos und berufshomosexuellen FunktionärInnen ausbleibt. Mit Bürgerrechtspolitik haben diese „Paraden“ auch nichts zu tun, mit Emanzipation noch sehr viel weniger. Um so mehr mit Anbiederung: Gleiche Rechte und Privilegien für angepaßte Mittelstands-Homos statt Kritik an einer auf Ausgrenzung und Ausbeutung basierenden Gesellschaft. Die Behauptung, die Tunte sei gesellschaftlich toleriert, offenbart endgültig, daß weit an den gesellschaftlichen Realitäten vorbeigeschrieben wird. Wir empfehlen Feddersen, sich mal in Frauenkleidern auf die Straße zu trauen.
Zu kritisieren ist auch die Parlamentarismusgläubigkeit der AutorInnen, die im Kommentar zum Ausdruck kommt. Wer ist schon Wähler der Becks, Wissmanns und Westerwelles? Ihre Pöstchen verdanken sie mit Sicherheit dem Sich-durchgeboxt-Haben in einem an sich undemokratischen System und nicht einer breiten Basis von homosexuellen WählerInnen. [...] Schwule Baustelle, Hamburg
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