■ Mars: Die Nasa erfindet wissenschaftliche Sensationen
: Faszinierender Unfug

„Mehr und mehr Überraschungen“ entdeckt die Nasa mit der Pathfinder-Sonde auf dem Mars. Ja, sogar den sensationellen Beweis für Flutwellen wollen die Forscher gefunden haben. Das ist, mit Verlaub, kompletter Nonsens. Denn dafür hätte man keineswegs auf den Mars fliegen müssen – ein Blick in ein x-beliebiges Raumfahrtlexikon hätte es auch getan. Seit den Fotos der US-Sonde Mariner 9 von 1972 und spätestens, seit 1976 Viking 1 und 2 auf dem Mars landeten, weiß man, daß dort einmal Wasser- oder Gletschermassen ihre Hobelarbeit verrichtet haben.

Die eigentlichen wissenschaftlichen Rätsel des Mars – zum Beispiel, warum und wohin diese Meere verschwunden sind – können weder die Kameras des Pfadfinders noch das kleine ferngesteuerte Robotfahrzeug lösen. Das war auch nie das Ziel der Mission. Pfadfinder ist nur der Testflug für eine Serie von Sonden, die in den nächsten Jahren mit verhältnismäßig billiger Technik folgen und eventuell nach Spuren primitiven Lebens auf dem Mars suchen sollen.

Daß wissenschaftliche Banalitäten als Sensationen verkauft werden, ist der Nasa trotzdem nur begrenzt anzulasten. Denn die Behörde ist keine Forschungseinrichtung, sondern ein perfekt arbeitender Medienapparat. Zu Zeiten des Kalten Krieges sollte die bemannte US-Raumfahrt einen Propagandasieg über die Russen erringen – das gelang mit den Mondlandungen. In den vergangenen Jahren lief die Nasa Gefahr, ihre Glorie und damit die für sie existentielle Unterstützung der US-Öffentlichkeit und des geldgebenden Kongresses zu verlieren. Da kam das Thema „Leben auf dem Mars“ gerade recht. Weil Sonden auf dem Mars höchstens durch Zufall die Spuren von Bakterien oder versteinerten Algen finden könnten, wird der letzte Beweis für oder gegen die grünen Männchen nur von (US-)Geologen auf dem Mars zu erbringen sein – so die Logik der Nasa. Und wer Astronauten auf den Mars schicken will, braucht viele Jahre lang eine mit vielen Milliarden Dollars ausgerüstete Raumfahrtagentur.

Obwohl die Motive der Nasa also durchaus eigennütziger Natur sind – die Faszination Mars bleibt davon unberührt. Die Erkundung ferner Planeten ist einfach zu sehr wahrgewordene Jugendphantasie, eine der Möglichkeiten in einer durch Wirtschaftlichkeitsrechnungen vernüchterten Welt, in der sich die Unvernunft Bahn bricht. Wer würde nicht an einer Marslandung teilnehmen wollen, auch wenn die jahrelange Reise im All die Gesundheit ruiniert? Reiner Metzger