Kotzende Aufnahmegeräte retten

■ Deckname Dennis von Thomas Frickel und Matthias Beltz erzählt beklemmend vom Grauen und Elend deutscher Unauffälligkeiten

Dennis sitzt im Taxi auf dem Weg zu einem Treffen mit seinem Boss. Dennis ist Geheimagent, und soll, wie er in dem konspirativ ausgewählten Kleinheidelbergerstuben-Lokal in New York bei Bier und Dirndlservice erfährt, durch eine Ermittlung vor Ort herausbekommen, wie sich im Moment die Lage in Germany ausnimmt.

„Your name is Dennis“, sagt der Boss, und Dennis antwortet: „But this is my name anyway!“Jemand bekommt einen Namen, den er längst schon hat. Wie es seine satirische Rahmenhandlung vorgibt, funktioniert der Dokumentarfilm Deckname Dennis von Thomas Frickel und Matthias Beltz nach diesem Prinzip der ausweglos wirklichen Wirklichkeit. Der Deckname, der nichts verbirgt, sondern im Gegenteil die Horrorbezirke bundesdeutscher Realität nur noch deutlicher hervortreten läßt. Und da hilft der Rat, den sich der Agent bei der verwirrten Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann einholt, nur wenig. Was er denn beachten müsse, um sich nahtlos ins Bild einzufügen, fragt er sie. „Unauffällig, im wesentlichen unauffällig sein.“

Schon ab der ersten Station auf einem Linguistenkongreßes wird klar, daß die Sache mit der Unauffälligkeit nicht ganz so glatt läuft. Ein Eindruck, der sich auf schockierende Weise ausbauen wird. Denn unauffällig ist allein der Undercoveragent aus Übersee. Die Leute drumherum, die einheimisch in seine Kamera blicken und leutselig da hinein Sätze, oder etwas ähnliches, absondern, die machen – um es vorsichtig zu sagen – einen eher gestörten, oft einen auffällig gestörten Eindruck.

Da sitzt zum Beispiel eine Gruppe von Männern in einem Wohnzimmer und faselt, Parolen der besonders braunen Gesinnung: daß „die Slowenen ja gar keine richtige Rasse sind, so wie die Thüringer und die Sachsen“und daß „der Osten natürlich zu uns gehört“. Passend ergänzt wird dieser in bedenklicher Normalstimme vorgetragene Schwachsinn zum Beispiel von den Herrschaften in Mantel und Kragen, die vor der polnischen Grenze dreist ihren „schlesischen Paß“in die Kamera halten und etwas von einer ebensolchen Exilregierung brabbeln. Die Leutchen vom Gartenzwergmuseum, die vielen weltgrößten Kuckucksuhrenhersteller im Schwarzwald, sie wirken handzahm und einfach nur ein bißchen blöd gegen solche landsmannschaftlichen Vertreter des „Dritten“oder die Planer des „Vierten Reiches“(darunter ein Hamburger Professor).

Deckname Dennis ist ein Film, der, je länger seine dokumentarische Kamera läuft, desto grotesker und unheimlicher wird, weil irgendwo zwischen seinen Gruselstops, die Realsatire angesichts des Realen ihre eigene Satire durchstreichen muß. Zum Schluß rettet einen nur noch das Aufnahmegerät. Es knallt und zischt und übergibt sich – stellvertretend für die Zuschauer. Danach darf Dennis dann endlich wieder nach New York. Mit einer Botschaft, die für seinen Boss nicht ganz verständlich ist. Irgendetwas mit Gartenzwergen.

Elisabeth Wagner

Abaton