■ QUERBILD
: Oberhausen

Die Welt knapp überm Orkus. Bereit zum Herunterspülen. „Eine Gurke ist immer noch besser...“, „Die Pussyarmee war hier“, „Gott ist tot“. Eine Aphorismensammlung auf dem Mädchenklo. Patzigkeiten, mit apodiktischem Nachdruck gekritzelt, von Humorlosen wieder durchgestrichen, von Übereifrigen kommentiert. Dazu aus dem Off die Selbstbeschreibungen einer Klospruchleserin, die zugleich die Hauptfigur ist. Kleine, gerade Nase, mittelgroße Lippen. Nicht zu voll, nicht zu dünn. Zu schmale Lippen erschweren die Luftzufuhr. Ihr Gegenüber später im Bus muß husten. Tanzende Gedanken um Ohren und Nasenhaare der Buspassagiere. Eine loser Faden auf dem Rock, ein Plakat, ein Schlagertext. Die Gedanken sind frei, die Phantasien werden kühner. Nach dem Willen der Beobachterin befummeln sich die Mitfahrenden oder stechen sich unter der Dusche aus ihrer Phantasie. Dann endlich ein Objekt der Begierde. Er guckt, er guckt nicht. Sie guckt, sie guckt nicht.

Ze Kijkt, Ze Kijkt niet von Esmeralda Snopek, dokumentiert vielleicht am augenfälligsten den Untertitel, den Claudia Drenda ihrer Auswahl aus den Internationalen Kurzfilmtagen, die sie morgen im Metropolis präsentiert, gegeben hat: „Über die Schönheit von Nebengedanken“. Denn Snopeks Miniaturen flattern ziellos und launisch mit der ganzen Unverschämtheit einer assoziierenden Weltaneignerin, sortiert nur durch Flusen, Zeitungsschlagzeilen und andere optische Störungen, die den Blick der Hauptfigur für einen Moment fangen, Zwerggedanken aufspringen lassen und dem unbestimmten inneren Monolog eine neue Richtung geben.

Eine Frau schlägt im Doppelbild die Augen auf. Blut strömt aus ihrem Hinterkopf, sie stirbt und schaut nicht mehr. Im Splitted screen-Verfahren erzählt Perspective of Power von der Ermittlungsarbeit einer Fremden, die statt detektivischer Präzision eine Art Brainspotting zur Spurensicherung einsetzt. Und wenn am Ende die Doppelbilder in einer Weißblende fusionieren, die sich schließlich als Sahneschicht einer Geburtstagstorte zu erkennen gibt, dann erscheint die Welt nicht länger durch ein zersplittertes looking-glass, sondern ganzheitlich als eine genießbare Scheibe.

Mit Harun Farockis lakonischem Dokumentarfilm Der Auftritt schließt sich der liebevoll und sinnfällig zusammengestellte Kreislauf erzählerischer Beiläufigkeiten. Eine Werbeagentur stellt in zäher Sitzung ihrem Kunden ihr Konzept zur Imagewerbung vor. Dampfende Fassadengesichter, wohlkalkulierte Geschäftigkeitsgesten, und doch immer wieder ein kleiner Ausbruch aus dem Fluß der Geschäftemacher-Klischees. Man kratzt sich schnell noch am Hintern, bevor der Daumen der Entschiedenheit durch die Luft schnellt, oder ein Schweißtropfen im neuralgischen Verhandlungsmoment auf der Stirn glänzt. Anbei werden Slogan-Häppchen herumgereicht wie „Relevanz statt Überheblichkeit“, und wenn die Art-Director_Hand sich dazu um hohle Luft herum zur Faust ballt, sieht es doch nur so aus, als ziehe sie an einer imaginären Klospülung. Birgit Glombitza

nur heute, Metropolis, 21.15 Uhr