Brutaler Polizeibesuch in der Früh

■ Beamte: Familie leistete Widerstand bei Durchsuchung

Am Dienstag um sechs Uhr früh traten 15 Zivilpolizisten die Wohnungstür der libanesischen Familie El-K. ein, stürmten in die Zimmer und hielten vier Familienmitgliedern Pistolen an die Schläfe. So schildert die 17jährige Samira El-K. den Vorfall. Sie selbst bekommt Schläge in den Bauch. Ihr 19jähriger Bruder Walid, der vor kurzem am Bauch operiert wurde, wird in Gesicht und Magen geschlagen. Die Beamten fesseln seine Hände mit Handschellen auf dem Rücken. Die Reste der Pizza vom Vorabend schmieren die Beamten in sein Gesicht. Als die 53jährige Mutter, Heam M., fragt, was los ist, drückt ihr ein Polizist einen Schutzschild aufs Gesicht. Die Geschwister müssen später zur Behandlung ins Krankenhaus.

Die Beamten weisen sich nicht aus, nach Angaben von Samira zeigen sie trotz mehrmaliger Aufforderung auch keinen Durchsuchungsbefehl vor. Als Grund für die Aktion nennen sie Hinweise, daß einer der Söhne, der 24jährige Mahmoud, Waffen besitze. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung, teilte gestern Justizpressesprecher Rüdiger Reiff mit.

Noch während der anderthalbstündigen Durchsuchung ruft die Mutter die Polizei. Nach zehn Minuten kommen Beamte, drei der fünfzehn SEK-Leute sind noch anwesend. Die Polizeibeamten nehmen die Anzeige auf, und einer verabschiedet sich mit den Worten: „So etwas kann passieren.“

Mahmoud ist bei seinen Eltern gemeldet, übernachtete jedoch bei seinem Bruder in Neukölln. In diese Wohnung stürmen die Beamten später und schlagen Mahmoud, den Bruder und einen Freund, so daß auch sie ins Krankenhaus müssen.

Gesucht wird Mahmoud wegen eines Vorfalls im April. In einer Disko wurde ihm der Zutritt verwehrt. Am nächsten Tag kehrte er mit dreißig bis vierzig Leuten wieder. Mit Baseballschlägern zertrümmerten sie die Einrichtung, Schüsse fielen. Drei Beteiligte konnten identifiziert werden. Vom Amtsgericht Tiergarten wurden drei Durchsuchungsbefehle ausgestellt. Wegen des „erhöhten Gefährdungsgrades“ seien Beamte des Sondereinsatzkommandos (SEK) eingesetzt worden, erläuterte Reiff. Die Eltern hätten der Durchsuchung ihrer Wohnung nicht zugestimmt. Die Beamten hätten erklärt: „Wir sind von der Polizei“, und den Beschluß ausgehändigt. Sohn Walid sei mit einem Eisengegenstand auf einen Beamten losgegangen, worauf ihm Handfesseln angelegt wurden. Walid habe sich am Schluß geweigert, sich die Handfesseln abnehmen zu lassen, und wollte Anzeige wegen Körperverletzung erstatten. Daraufhin hätten die Beamten Kollegen gerufen, die die Anzeige aufgenommen hätten.

In der zweiten Wohnung seien vier Personen angetroffen worden, die sich alle zur Wehr gesetzt hätten. Einem seien Handschellen angelegt worden. Es sei eine Duellpistole gefunden worden. Drei der vier haben „Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt“ gestellt. Ein Polizeisprecher ergänzte, bei beiden Einsätzen sei es „zu Widerstandshandlungen“ gekommen, die durch „Anwendung einfacher, körperlicher Gewalt“ beendet worden seien. Elke Eckert