Die neuen Freunde der italienischen Oper Von Karl Wegmann

Willy hat einen kreativen Schub. Nur weiß er nicht so richtig, wie er ihn nutzen soll. „Über Verhaltensforschung ist doch schon alles geschrieben worden“, jammert er, „und bei meinen bescheidenen Mitteln kann ich sowieso keine großen Sprünge machen.“ „Schreib doch einen Aufsatz über Tiere und Alkohol“, schlägt Hermann vor und nimmt einen großen Schluck Krombacher. „Ich hab' da kürzlich eine tolle Geschichte über einen indischen Elefanten gelesen“, erzählt er, „der ist in einem Dorf im District Ranchi in eine illegale Schnapsbrennerei eingebrochen, hat alles aufgesoffen und dann drei Tage lang randaliert, dreizehn Menschen mußten dran glauben.“ – „O ja“, entfährt es mir, „Alkohol tötet!“ – „Aber nicht den ersten besten“, kontert Hermann und nimmt noch einen Schluck.

„Ihr seid doch blöde Spinner“, meint Willy, „aber nun mal im Ernst, was haltet ihr von dem Thema ,Das Legeverhalten von freilaufenden Hühnern unter dem Einfluß von Musik‘? Ich hab' da von einem Ökobauern in Franken gehört, der seine Hühner den ganzen Tag mit Verdi beschallt. Die besten Ergebnisse erzielt er übrigens mit Rigoletto, und zwar mit Maria Callas als Gilda. Das wäre doch...“ Willy ist aufgeregt. „Hört sich ja wirklich interessant an“, sage ich todernst. „Du solltest den Rahmen aber erweitern, wie wäre es mit ,...unter dem Einfluß von klassischer und zeitgenössischer Musik‘?“ – „Hervorragend“, jubelt Willy, „ich hol' mal eben was zu schreiben!“ Als er weg ist, schaut mich Hermann an und tippt sich an die Stirn. „Wart's ab“, sage ich, „das wird noch ganz lustig.“

Willy kommt zurück und plappert gleich wieder los: „Hühner könnte ich mir ja besorgen, kein Problem, und Regina hat doch diese Sammlung italienischer Opern...“ – „Halt“, stoppe ich ihn, „das mit Rigoletto ist doch schon publiziert worden, du solltest also mit etwas anderem anfangen, etwas Modernem!“ – „Ja, Punkrock!“ Hermann spielt mit. Willy guckt etwas angewidert. „Warum nicht“, sage ich, „wenn du eine großangelegte Untersuchung willst, kannst du nicht einfach eine Musikrichtung ausschließen.“ Das sieht er ein und macht sich Notizen.

„Grunge, Crossover, Deathmetal“, Hermann kommt in Fahrt. Willy notiert alles und wird immer aufgekratzter. Wenn er in diesem Zustand ist, trinkt er etwas schneller. „O Mann“, sagt er, „das wird kein Aufsatz, das wird ein Buch.“ „Bei dem Thema durchaus angemessen“, unterstütze ich ihn. „Richtig“, meint Hermann, „Eier ißt doch jeder. Ich sehe schon die neuen Aufdrucke auf den Kartons: von freilaufenden Hühnern unter dem Einfluß von Britpop!“ – „Gottogott“, lallt Willy und nimmt sich noch ein Bier, „das nimmt ja Dimensionen an.“ – „Natürlich mußt du auch unterscheiden zwischen Musikkonserven und Live- Musik“, fahre ich fort, „wenn du die Hühner nicht aus ihrer natürlichen Umgebung reißen willst, mußt du schon mal eine Band engagieren, die im Hühnerhof auftritt, das wird dann etwas teurer.“ – „Aber, aber, aber...“, blubbert Willy, „ich krieg' ja noch 'ne Steuerrückzahlung, damit könnte ich...“ Dem großen Verhaltensforscher sackt der Kopf auf die Brust, und er schläft ein.

„Rigoletto bringt's echt nicht“, meint Hermann, „Tiere und Alkohol, das wär's gewesen.“ – „Genau!“ sage ich, und Willy fängt ein bißchen an zu schnarchen.